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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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gefallen?“
    Klößchen starrte auf die Zeichnung.
Sein rosiges Gesicht erbleichte. Heftig bearbeiteten beide Zahnreihen die
Unterlippe.
    „Den... äh... in der
Springflut-Gasse... den habe ich mir nicht richtig angesehen. Eigentlich gar
nicht. Nur von hinten. Ich war so verflucht müde. Mir sind doch dauernd die
Lider über die Glubscher gerutscht. Sah der Typ so aus wie der hier? Dieser — darauf
wette ich meine letzte Tafel Schokolade — ist der Schmuckräuber.“
    Karl stöhnte wie unter Magenkrämpfen.
    Tim atmete tief durch. „Das scheint heute
nicht dein Tag zu sein, Willi. Da sind wir also an den Gesuchten geprallt, und
wir haben ihm geholfen, damit er verschwinden konnte. Manchmal läuft’s eben so.
Da kann man nichts machen.“
    Gaby begann zu lachen.
    Alice legte ihren Bleistift weg und
stand auf. Mitfühlend lächelte sie Klößchen an, aber dem perlte Schweiß auf der
Stirn, und sein Gesicht wurde immer blasser.
    „Ist dir nicht gut?“ fragte Gaby
besorgt.
    „Mir wird schlecht, glaube ich.“
    „Setz dich schnell hin. Ich hole ein
Glas Wasser.“
    Klößchen setzte sich neben Oskars
Körbchen. Gabys Vierbeiner stieß ihn mit der Pfote an, wollte spielen. Aber
Klößchen hatte andere Sorgen.
    „Kein Wasser, Gaby!“ rief er. „Mit
einem Stück Torte könntest du mir helfen.“
    „Es ist Vanille-Torte“, rief Gaby aus
der Küche.
    „Alles recht.“
    Er erhielt, wonach sein Herz begehrte,
kaute mit vollen Backen und gewann seine frische Farbe zurück.
    „Ist ja alles kein Unglück“, sagte Tim.
„Dank Alice’ Talent haben wir ein tolles Fahndungsbild. Außerdem den Anfang
einer Spur. Der Penner ist zwar im ,Halben Ohr’ nicht willkommen, aber wer sagt
denn, daß ihn dort niemand kennt. Vielleicht weiß der Wirt seinen Namen.“
    „Falls es Döbbel war, den du verhauen
hast“, meinte Karl grinsend, „sind unsere Aussichten schlecht. Oder glaubst du,
der hilft uns — noch dazu, wenn er hört, welchen Schatz dieser Penner hat?“
    „Darüber lassen wir kein Wort
verlauten. Sonst sind dem hier“, Tim klatschte auf den Zeichenblock, „gleich
sämtliche Unterweltstypen auf den Fersen. Nein, wir denken uns einen anderen Grund
aus. Ob Döbbel und der blonde Schläger personengleich sind, werden wir sehen.
Wer nicht probiert, kann auch nicht gewinnen. Also los, Leute!“
    „Wir kommen mit“, sagte Gaby. „Und weil
Alice kein Rad hat, werdet ihr eure schieben oder im Schrittempo fahren.“
Während die Mädchen warme Jacken hervorkramten, gingen die Jungs in den Flur,
wo ihr wetterfestes Outfit an der Garderobe hing.
    Oskar kam hinterher und brachte seine
Leine im Maul. „Klar, du darfst mit“, sagte Tim und kraulte seinen vierbeinigen
Freund hinterm Ohr.
    Gaby schloß die Wohnung ab. Zu fünft
traten sie auf die Straße. Gaby führte Oskar an der Leine. Die Jungs machten
die Kabelschlösser von ihren Tretmühlen los. Gaby lief noch rasch in den Laden
ihrer Mutter, um Bescheid zu sagen. Tim überlegte, ob er mitgehen und Frau Glockner
begrüßen sollte — immerhin verehrte er sie sehr und sah in ihr seine künftige
Schwiegermutter. Doch dann entschied er sich dagegen. Der kleine
Lebensmittelladen war mit Kunden überfüllt, wie er durchs Schaufenster sah.

6. Professor Theisens große Aufgabe
     
    Sämtliche Knochen schmerzten. Aber
schlimmer als das war der Schreck.
    Leo Verdroski stolperte die Steiltreppe
zum Fluß hinunter, fuhr sich mit dem zerrissenen Ärmel unter der Nase lang und
äugte zu seiner Adresse: einer Wellblech-Baracke am Ufer.
    Von März bis Oktober diente sie
Stadtarbeitern zum Unterstellen von Geräten und Baumaterial. Immer wieder
mußten hier die Hänge befestigt werden, auf einer Länge von drei Kilometern.
Hier führte der Fluß durch die Stadt, und die Ufermauer stammte noch aus dem
vorigen Jahrhundert. An vielen Ecken bröckelte der Zement.
    Leo schleppte sich zu seiner Bleibe. An
der Tür hatte er ein Vorhängeschloß angebracht. Den Schlüssel trug er bei sich.
Leider mußte er nun bald die Adresse wechseln, die Stadtarbeiter würden ihn
vertreiben. Aber dann waren die kalten Monate vorbei, man konnte wieder im
Freien schlafen. Scheppernd fiel die Tür hinter ihm zu. Er setzte sich auf
einen Berg Lumpen, nahm den Hut ab und kratzte sich.

    Dieser blondierte Affe hatte ihn
verprügelt. Unerhört! Leo kannte den Typ. Ritschi Gernreich war gewalttätig.
Und immer gegen Schwächere. Überhaupt: Woher sollte man denn wissen, daß
Tippelbrüder nicht mehr hinein

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