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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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durften ins ,Halbe Ohr’. Diese Mistkerle, die
dort an der Theke hockten und ihn angeglotzt hatten, als hätte er Flöhe! Klar,
er hatte Flöhe! Trotzdem...
    Und dann der Schreck vor der Kneipe — direkt
nach dem Rausschmiß!
    Himmel, war das knapp! dachte Leo.
Einer der Jungs — der kleine Dicke... Wenn der mich erkannt hätte! Oder irre
ich mich? War das gar nicht der kleine Dicke in dem Jaguar vor dem Flughafen?
Doch! Solche Mondgesichter sind selten. Aber der war ja so müde — heute früh!
Der pennte. Wann kriege ich wieder eine solche Gelegenheit? Na, also! In einem
Bordcase ist meistens was drin.
    Tolldreist hatte er die Beute an sich
gebracht. War dann losgerannt und in einen der Busse gesprungen, den Bordcase
natürlich unterm Mantel versteckt. Erst hier in seiner Baracke hatte Leo den
Inhalt geprüft. Und wäre beinahe umgefallen vor Schreck.
    Schön, mit einem dicken Portemonnaie
konnte man rechnen. Aber dieser Schmuck! Juwelen, Brillanten, Geschmeide! Ein
unermeßlicher Reichtum! Was sollte er, Leo, damit anfangen? Wo die Klunkern
verhökern? Wie in Geld verwandeln? Er kannte keinen Hehler. In seinem
bürgerlichen Leben hatte er als Glühlampen-Kolbenmacher gearbeitet. Das war elf
Jahre her. Inzwischen hatte er viermal Lungenentzündung gehabt und etwa 300 kleinere
Diebstähle begangen. Aber als Kriminellen verstand er sich nicht. Er klaute
nur, was er brauchte.
    In der Ecke dort war der Bordcase
versteckt, unter Lumpen und leeren Kartons.
    Auch eine Brieftasche war in dem
Bordcase, eine Damen-Brieftasche mit Führerschein, Scheckkarten und Reisepaß.
Die Dame hieß Sauerlich — Erna Sauerlich.
    Ich werde sie anrufen, überlegte Leo.
Und fragen, wieviel sie freiwillig berappt, wenn ich ihr alles zurückgebe.
Keine Polizei, meine Dame! Sonst werfe ich die Klunkern in den Fluß, und Ihr
Herr Gemahl kann alles nochmal anschaffen. Kostspielig, wie? Na, dann machen
Sie mal 20 000 locker!
    Grinsend dehnte er die würstchendicke
Unterlippe. Die engstehenden füchsischen Augen funkelten, und die
Himmelfahrtsnase hob sich keck.
    Was er nicht wissen konnte: Wirklich
toll getroffen hatte ihn Alice mit ihrer Zeichnung...

     
    *
     
    „Ja, das ist richtig“, erwiderte Alice
auf Karls Frage, „mein Vater ist seit einem Jahr Forschungsleiter beim
Euro-Futur-Projekt 2000. Woher weißt du das?“
    Karl grinste. „Ich lese regelmäßig die
Fachzeitschrift ‚Wissen und Denken’. Was da stand über deinen Vater, könnte er
sich einrahmen lassen. Bestimmt kriegt er eines Tages den Nobelpreis für
Biochemie.“
    „Das würde mich mehr freuen als ihn.“
    Die fünf Jugendlichen — samt Oskar — näherten
sich jetzt dem Parkplatz hinter dem Seifensieder-Sträßchen. Der Nachmittag
neigte sich. Es wurde kälter.
    Tim ging voran, wobei er sein Rennrad
schob. Karl und Klößchen flankierten die Mädchen.
    Über die Schulter fragte Tim: „Euro-Futur-Projekt
2000 — worum geht’s da?“
    „Keine Ahnung“. Alice lachte. „Ich bin
mehr künstlerisch ausgerichtet: Musik und Malerei. Mit den Naturwissenschaften
kann ich nichts anfangen.“
    „Aber ich weiß Bescheid“, sagte Karl. „Professor
Theisens Forschungsteam arbeitet sozusagen am Erhalt unserer Welt. Ein Mittel
soll hergestellt werden, das die Weltmeere entgiftet. Die Meere sind ja leider
zu Kloaken geworden. Seit Jahrzehnten wird Giftmüll eingeleitet — verklappt,
wie es so milde heißt — , anderer Müll, besonderer Müll und garantiert
unschädlicher Müll, an dem aber die Fische, Seehunde und Möwen verenden. Wie
ich zwischen den Zeilen lesen konnte, soll die Forschungsarbeit deines Vaters
schon weit gediehen sein, Alice.“
    „Auch darüber weiß ich nichts. Papa ist
immer unzufrieden — vor allem, wenn er von seinem Institut spricht.“
    „Wenn das gelingt“, sagte Karl, „was
ihm gelingen soll, dann hätte es was von galaktischem Wert. In Milliarden läßt
sich das gar nicht ausdrücken. In ,Wissen und Denken’ stand auch, daß anderswo
— in Fernost und Weitwest — daran gearbeitet wird. Ein Wettlauf der
Wissenschaft gegen die tickende Zeitbombe, die unsere Welt bedroht.“
    „Hoffentlich gewinnt die Wissenschaft“,
meinte Klößchen.
    „Solange die Menschen nicht vernünftig
werden“, sagte Tim, „nützt das wenig. Nichts wird so fleißig produziert wie
Dreck und Gift. Und dann immer rein damit in die Luft, in die Meere, in den
Boden!“
    Die anderen brummelten zustimmend.
Oskar bellte. Das galt Sperlingen, die auf einer Mauer

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