Lösegeld am Henkersberg
das ist die
Hauptsache. Alles andere wird sich finden.“
*
Am nächsten Tag ging in der
Internatsschule zumindest äußerlich alles seinen gewohnten Gang. Man hielt
Unterricht. Aber kein Schüler paßte auf, und selbst die Lehrer taten sich
schwer.
Tim wurde nach der vierten Stunde entlassen.
Weshalb — wußten nur der Direktor, eine Handvoll Lehrer, Klößchen und Karl.
Ein Streifenwagen holte Tim vor dem
Internatsgelände ab. Sein Rennrad fuhr im Kofferraum mit.
Um 12.30 Uhr betrat Tim das
Polizeipräsidium und wenig später Kommissar Glockners Büro.
„Aufgeregt?“ Gabys Vater kam hinter
seinem Schreibtisch hervor und drückte Tim die Hand.
„Weniger als ich dachte. Eigentlich gar
nicht. Ja, ich bin kalt wie Oskars Hundeschnauze.“
„Der Polizeipräsident wollte dich
begrüßen. Aber er ist noch beim Oberbürgermeiser, hat eben angerufen und wird
erst gegen 14 Uhr zurück sein. Da bist du längst unterwegs.“
„Ist ja nett von ihm, aber ich sehe
nicht, wozu ich die Begrüßung brauche.“
Glockner deutete auf einen Stuhl in der
Ecke. Ein neuer, orangeroter Rucksack lag darauf. Er sah vollgestopft aus und
war verschnürt.
„Drei Millionen, Tim. Nur einmal im
Leben trägt man das auf dem Rücken durch die Stadt. Und selbst das können nur
die wenigsten von sich sagen.“
Tim schwieg. Er spürte: Irgendwas war
da noch, das der Kommissar mit ihm besprechen wollte.
„Erzähl niemandem, was ich dir jetzt
sage, Tim: Ein Verdacht hat sich ergeben. Vielleicht ist nichts dran, wir
werden sehen. Bei routinemäßiger Überprüfung sind wir darauf gestoßen.
Weidrich, der Busfahrer, hat heute vormittag 10 000 Mark auf sein Konto bei der
Sparkasse eingezahlt. In bar. Das Konto war mit 4000 Mark überzogen. Das
Geldinstitut hätte ihm keinen Pfennig mehr gegeben. Jetzt ist er mit 6000 im
Plus. Aber woher hat er das Geld?“
Ein Stromstoß schien durch Tims Körper
zu rasen.
„Herr Glockner, ich weiß woher. Irre!
Gaby und ich haben gesehen, wie er das Geld erhielt. Freilich: Ob es dieses
Geld war, kann ich natürlich nicht behaupten. Immerhin handelte es sich um ein
Kuvert mit dick Kohle drin. Wir dachten, es wäre eine Zuwendung zu Weidrichs
Geburtstag. Gaby sagte noch, daß das natürlich großartiger sei als ihre Torte.
Ich hatte das Kuvert sogar in der Hand. Weil’s ihm, Weidrich, runterfiel, habe
ich’s aufgehoben. Und nun kommt das Beste: Wir kennen auch den Typ, der
Weidrich das Geld gab. Er heißt Döbbel, fährt einen gelben Porsche und ist der
neue Wirt vom ,Halben Ohr’ in der Springflut-Gasse. Daß wir auf den gestoßen
sind, das kam so..
Tim erzählte.
„Phantastisch!“ Glockner ballte die
Hand zur Faust. „Wenn das keine heiße Spur ist! Es könnte bedeuten: Weidrich
steckt mit den Kidnappern unter einer Decke. Und dieser Döbbel gehört zu der
Bande. Daß sie sich Weidrichs Hilfe sichert, ist verständlich. Denn wie stoppt
man einen Bus so nahe bei der Stadt auf der Zubringerstraße? Was tun, wenn der
Fahrer Gas gibt, statt zu halten? Hätten die Kidnapper auf den Bus geschossen?
Mit Weidrich als Komplicen ging’s ganz bestimmt leichter.“
„Nehmen Sie ihn und Döbbel in die
Mangel?“
„Das können wir erst riskieren, wenn die
Schüler frei sind. Zunächst werden die beiden observiert (polizeilich
überwacht ) — natürlich so, daß sie nichts merken.“
Tim trat zu dem Stuhl und lud sich
probeweise den Rucksack auf.
Glockner sah zur Uhr. „Hast du
gegessen?“
„Gut gefrühstückt. Das reicht. Jetzt
würde ich nichts runterbringen. Alice’ Tropfen habe ich in der Tasche.“
Der Kommissar nickte. „Unser Techniker
muß noch die Wanze unter deiner Windjacke befestigen. Das Mikrofon ist nur so
groß wie eine Kirsche. Drahtloser Sprechfunk mit einer Reichweite von 1000
Metern. Drei völlig neutral aussehende Fahrzeuge werden in deiner Nähe sein:
der Lieferwagen einer Firma für Tiefkühlkost, ein schicker BMW mit einem Paar.
Die beiden Kollegen sind tatsächlich miteinander verheiratet. Und ein Motorradfahrer
mit rotem Helm. Das bin ich. Aber ich werde aussehen wie so ein Verrückter, der
auch in der Stadt 150 fährt. Nicht mal Gaby würde mich erkennen.“
Tim lächelte. „Ich wußte gar nicht, daß
Sie auch Motorrad fahren.“
„Nur im Dienst.“
Es klopfte. Der Techniker mit der Wanze
kam.
*
13.56 Uhr.
Tims Uhr ging auf die Sekunde genau.
Über den Bahnhofsplatz pfiff kalter
Wind. Der Tag war trocken, und der Himmel zeigte sich in einem
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