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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Ergebnis drehten sich seine
Gedanken im Kreis.
    Kommissar Glockner hatte am späten
Vormittag angerufen und mitgeteilt, was die Kidnapper forderten.
    Seitdem konnte Tim kaum noch
stillsitzen.
    Dieser Junge bin ich, dachte er immer
wieder. Ich übergebe das Lösegeld. Ich! Wer sonst? Ich bin knapp 14. Zum Teufel
mit denen, die da behaupten: Tim sieht älter aus — soooo viel älter, fast schon
volljährig. Dann ziehe ich eben kurze Hosen an und hänge mir ein Lätzchen um.
Und wenn ich mich ducke, bin ich einen halben Kopf kleiner.
    Gegen halb drei kam Kommissar Glockner.
    Er hatte dunkle Ringe unter den Augen —
vor Sorge, nicht vor Erschöpfung.
    Margot brachte eine große Kanne Tee,
und alle saßen im Wohnraum.
    „Ich habe mit meinem Chef gesprochen“,
sagte Glockner. „Er ist einverstanden. Du, Tim, machst den Geldboten.“
    Der TKKG-Häuptling nickte. Ganz
vorsichtig ließ er den übermäßig gestauten Atem durch die Zahnreihen ab.
    „Das bedeutet aber, Tim, daß du dich
zurückhältst wie noch nie! Keine Heldentat! Keine Aktion! Solange die Geiseln
in der Gewalt dieser Verbrecher sind, befolgen wir jede Anordnung. Du tust nur
eins: Du hältst die Augen offen, beobachtest, merkst dir jede Kleinigkeit und
jedes Wort. Ich vertraue auf deine Wachsamkeit, deine Intelligenz. Darauf, daß
du Hinweise mitbringst, die uns später bei der Fahndung helfen.“
    Tim nickte abermals.
    „Du transportierst drei Millionen.
Einen schönen, roten Rucksack werden wir dir aufladen. Er wird nicht mal ganz
voll, denn das Lösegeld besteht zur Hälfte aus 1000er-Banknoten und
500er-Scheinen.“
    „Sehr ungewöhnlich“, sagte Tim. „Die
Scheine lassen sich doch leicht wiedererkennen. Ich nehme an, man wird die
Seriennummern registrieren.“
    „Selbstverständlich. Du sprichst etwas
an, das auch uns wundert. Wir rätseln. Wollen die Kerle das Geld auf Eis legen
für lange Zeit? Oder haben sie eine Möglichkeit, die großen Scheine unauffällig
umzutauschen? Kaum denkbar ist das.“
    „Das hieße ja“, sagte Karl, „daß ihnen
das Lösegeld gar nicht so wichtig ist.“
    Klößchen lachte auf. „Drei Millionen — nicht
wichtig. Weshalb machen sie dann den Coup?“
    Der Kommissar hob die Achseln. „Es ist
jedenfalls sonderbar.“ Er wandte sich an Tim. „Du wirst mit einer Wanze
ausgerüstet, einem kleinen Mikrofon, das wir unter deiner Jacke anbringen. Auf
diese Weise hältst du Kontakt mit uns: sogenanten Ein-Weg-Kontakt. Wir hören
dich, wenn du was murmelst oder wenn du aus der Nähe angesprochen wirst. Aber
wir können dir nichts mitteilen. Das wäre technisch zu aufwendig, und die
Gangster könnten es merken.“
    „Ich gebe also immer durch, wo ich mich
befinde.“ Tim hatte begriffen. „Die Telefonzelle am Hauptbahnhof wird nur die
erste Station sein. Ich erfahre dort mein nächstes Ziel und brettere weiter.
Deshalb auch die Tretmühle als fahrbaren Untersatz.“
    „Richtig.“ Glockner trank einen Schluck
Tee. „Vielleicht steht dir eine Odyssee ( Irrfahrt ) bevor durch Stadt und
Umgebung. Oder sie schicken dich gleich zum Ziel.“
    Margot schenkte allen nach. „Gab es
Schwierigkeiten wegen des Lösegeldes?“ wollte sie wissen.
    „Erstaunlich wenig“, antwortete Glockner.
„Oberbürgermeister und Stadtkämmerer waren sich sofort einig. Vielleicht weil
in einem halben Jahr Kommunalwahlen sind. Wo man hinsieht, werden von der
öffentlichen Hand Unsummen vergeudet — da wäre es für eine politische Karriere
tödlich, wenn sich jemand querlegt wegen der drei Millionen. Betroffen sind 29
Kinder und Jugendliche aus dieser Stadt. Das ganze Land hält den Atem an.
Meines Wissens hat es so ein Verbrechen bei uns noch nicht gegeben.“
     
    *
     
    Alice’ Eltern trafen ein. Glockner
selbst holte sie vom Flughafen ab. Im KRONPRINZ hinterließen sie nur rasch
ihren Koffer, dann fuhren alle zu den Glockners.
    Frau Theisen und Alice sahen sich
ähnlich, wie Tim feststellte. Die Frau des Biochemie-Professors war schmal,
hatte dunkle Augen und tiefschwarzes Haar.
    Theisen sah mehr wie ein Weltenbummler
aus denn wie ein Wissenschaftler — wie ein Weltenbummler, der mit wenig Geld
und dem Ein-Mann-Zelt unterwegs ist: braungebrannt, mit kurzem grauem Bart und
kräftigen Händen. Er war hager. Ob er die Schultern immer so hängen ließ — oder
nur angesichts der Situation, konnte Tim nicht erkennen.
    Die Theisens wirkten wie erstarrt vor
Sorge. Glockner bemühte sich, ihnen Zuversicht zu vermitteln. Er erklärte,

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