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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Flöhe rumsprangen.
    Ganz anders der andere, der ihn so
unsanft rausbefördert hatte. Tim sah einen sehnigen Typ mit blondierten Haaren
und Solarium( Bräunungsstudio )-Gesichtshaut. Das Lippenbärtchen war
rabenschwarz, wodurch das mitleidlose Blau der Augen erst so richtig zur
Geltung kam. Er trug einen sahnefarbenen Seidenanzug, schwarzes Hemd und eine
Krawatte in Gold. Die Füße waren in Lackschuhe gezwängt.
    Und mit denen trat er dem Penner
wuchtig in die Rippen „...beim nächsten Mal reiß ich dir den Kopf ab, du Wanze“,
stieß er durch die Zähne und wollte den armen Kerl nochmal treten.
    Es ging sehr schnell. Zum Worte
wechseln war keine Zeit. Der Blondierte brüllte plötzlich auf. Dann knallte er
auf den Steißknochen und schlug außerdem mit dem Ellbogen auf — und zwar sehr
hart.
    „Das war ein Low-Kick (tiefer Tritt) “,
sagte Tim. „Aber der zu erwartende Bluterguß in Ihrer Kniekehle vergeht wieder,
Sportsfreund. Und verdient haben Sie ihn allemal. Wollen Sie diese arme
Vogelscheuche umbringen? Oder was ist?“
    „Danke, Junge!“ Der Penner erhob sich. „Der...
der... hat mich mißhandelt. Grundlos!“
    Aus der Nähe hatte der Blondierte recht
rattenhafte Züge. Wegen Steiß und Ellbogen biß er sich auf die Lippen. Noch
bohrte der Schmerz. Dann aber stieg die Wut wie eine rote Wolke aus dem Kragen
ins Gesicht.
    „Ich wollte nur das Pfand auslösen“,
rief der Penner. „Vor vier Wochen habe ich’s dem Wirt gegeben, dem Otto Kraxmeier.
Weil meine Kohle alle war. Kann ja nicht ahnen, wie aufgemotzt das jetzt ist da
drin. Und neue Leute. Aber dieser Typ hier schlägt mir gleich ins Gesicht und
stößt mich raus. Nochmals danke, Junge!“
    Der Penner zog seinen gammligen Mantel
zusammen und den Hut auf die Ohren, noch tiefer als zuvor, wischte Blut mit dem
Ärmel weg und humpelte dann eilig die Gasse hinunter.
    „Jetzt bist du dran!“ dröhnte die
Stahlstimme.
    Der Blondierte schnellte hoch, seine
Faust — an der vier große Ringe steckten — sauste Tims Nase entgegen.
    Diesmal flog er, der Schläger, in die
Drehtür. Ihr Schwung nahm ihn mit. Wirbelnd beförderte sie den Blondierten
hinein, wo er auf den Knien landete und ein Tischchen mit zwei Stühlen umriß.

    Hinter der violetten Glasstein-Wand
bewegten sich Schattenrisse. Der Blondierte blieb auf den Knien und hielt sich
den Kopf.
    „O weh!“ meinte Karl. „Wenn das der
neue Wirt ist, dieser Döbbel, dann kann er das ,Halbe Ohr’ bald umtaufen: in
,Halbe Rippen’ oder ,Knochensplitter’. Vielleicht muß sich das mit den neuen
Gästen erst einspielen. Und du hast eben den offiziellen Rausschmeißer
vermöbelt, Tim.“
    „Ruhetag!“ sagte Tim. „Das heißt:
geschlossen. Wieso soll dann der hauseigene Nahkampf-Portier hier sein? Nein,
glaube ich nicht. Entweder das ist der neue Wirt. Oder dort tagt eine private
Runde, und die fühlte sich gestört durch den Strizzi.“
    Tim versuchte, in das Lokal zu spähen.
Aber eine Sichtblende verhinderte das: eine neu errichtete Innenwand — mannshoch
und aus pinkfarbenen Glasbausteinen.
    Langsam kroch der Blondierte an ihr
vorbei, um sich dann an der Ecke in die Höhe zu schrauben.
    „Eins verspreche ich euch“, sagte Tim. „Wenn
mir je nach Ausgehen zumute ist — hierhin bestimmt nicht!“
     

3. Enrico und seine Ganoven
     
    Eisiges Schweigen breitete sich aus im
,Halben Ohr’.
    Ritschi Gernreich, der blondierte
Schläger, ahnte, was das bedeutete. Aber noch war er damit beschäftigt, seine
Knochen zu ordnen.
    Dieser Drecksbengel! dachte er voller
Haß. Das nächste Mal mache ich ihn fertig. Von hinten werde ich ihn anfallen...
O ja! Der hat keine Chance.
    Ritschi hatte sich aufgerichtet.
Mechanisch bürsteten seine Hände den Anzug ab. Nur die Sitzfläche war
schmutzig. Allerdings hatte der Ärmel am Ellbogen ein Loch. Kunststopfen würde
da nicht viel helfen.
    Die Bar war lang. Chrom glänzte.
Flaschen funkelten im Regal. Und Enricos Rasierwasser — von dem man sagte, daß
die Fliegen torkelten, wenn sie in diese Duftwolke gerieten — hing aufdringlich
in der Luft.
    Drei Männer fläzten an der Theke: zwei
auf den Barhockern davor, einer dahinter.
    Der dahinter — das war Döbbel, der
Wirt: ein schlanker Mittdreißiger, dessen rötlicher Drei-Tage-Bart bis unter
die Tränensäcke hochreichte. Das Gesicht wirkte auf erschreckende Weise
behaart. Döbbel wußte das natürlich und hatte sich selbst einen Spitznamen
gegeben: Werwolf. Allerdings wollte sich das nicht so recht

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