Loewenstern
überaus höflich, als er Kahei bitten muß, sein Haus doch lieber nicht zu betreten. Der Brief an den Gouverneur wird zwar angenommen, doch der Bote erhält nur ein schäbiges Quartier in einem Nebengebäude der Festung. Aber wozu ist Kahei ein Herr! Als erstes heuert er Bediente an, die ihn angemessen versorgen, dann Ainu-Bauleute, die ihm eine Residenz zimmern, bis die Antwort aus Matsumai eintrifft. Und er hat Heimweh nach seinen Freunden, den Russen. Fast jeden Tag kauft er frischen Fisch – teuer, da nicht Fangzeit ist, und läßt ihn auf die
Diana
senden. Dann kommt er selbst zum Strand, steckt das halbe Seidentuch auf sein Schwert und winkt; und Rikord schickt ein Boot, das ihn zur Fregatte hinausrudert. Für den Kommandanten von Kunashiri existiert sie gar nicht. Früher hätte er auf sie schießen lassen. Soviel hat Kahei schon erreicht.
Endlich trifft der Bescheid ein und ist nicht ganz ungünstig. Auch der Gouverneur hat seine Gefangenen kennengelernt. Es sind Menschen. Er hat einen Dolmetscher wie Teisuke und versteht zu würdigen, was der Ehrenmann Takada ya Kahei auf sich genommen hat. Hinterher wird ihm auch die Vollmacht dazu bescheinigt; er kann sie weiter ausüben. Plötzlich zeigt sich auch der Festungskommandant von seiner freundlichsten Seite.
Allerdings: für den nächsten Schritt fehlt immer noch ein Papier. Was der Kommandant von Ochotsk drohend zu melden gut fand, will man auf sich beruhen lassen, jedoch: mit Brief und Siegel muß, diesmal von
höchster
russischer Stelle, ausdrücklich bestätigt werden, daß Chwostow ohne Auftrag gewütet hat. Ferner ist eine Erklärung geschuldet, daß das geraubte Gut zurückerstattet wird –
soweit möglich
. Natürlich hat man auch in Japan gehört, daß Chwostow tot ist, und kann vermuten, seine Beute sei in alle Winde zerstreut. In diesem Fall läßt sich immerhin, mit höchstem Bedauern, bescheinigen, daß man sie nicht mehr beibringen kann. Eine
Entschuldigung,
wenn’s gefällig ist; dann braucht man über Schuld nicht weiter zu reden.
Der lange Marsch zur Befreiung Golownins verlangt immer wieder eine Ehrenrunde. Aber die Zeremonie gehört zur Substanz, es darf kein Tüttelchen fehlen. Inzwischen ist in Japan auch bekannt, daß sich im fernen Europa das Kriegsglück gewendet hat: der Zar ist an der Spitze seiner Verbündeten in Paris einmarschiert. Das kann der Sache Golownins nicht schaden, nur soll niemand glauben, daß sie schon in trockenen Tüchern sei. Es fehlt nicht nur ein Papier. Japan verlangt ein Zeichen des Respekts, bis es so frei ist, die Gefangenen freizulassen.
Was bleibt Rikord übrig, als noch einmal zwischen Rußland und Japan zu pendeln – diesmal ohne Kahei, den ehrenhaft Repatriierten,aber dieser Anker sitzt jetzt fest auf dem Grund und bürgt für fortgesetzte Verbindung. Noch einmal vergehen Monate, bis alle Knoten des Spiels gelöst und würdig abgewickelt sind. Der letzte Akt soll sich ereignen wie folgt:
Wenn die
Diana
aus Ochotsk wiederkommt, läuft sie nicht mehr Kunaschir an (von einer «Bucht des Verrats» ist auch nicht mehr die Rede), sondern unmittelbar den Norden der großen Insel Ezo. Der passende Hafen wird Kapitän Rikord mitgeteilt: nicht zu nahe der Provinzhauptstadt Matsumai, aber für ihre Würdenträger doch bequem zu erreichen. Dorthin nämlich wird ein
kaiserlicher
Beamter einen Abgesandten der Gefangenen geleiten, den diese selbst bestimmen mögen. Er darf seine Gefährten auf der
Diana
als erster wiedersehen und übernimmt den Austausch von Nachrichten, die einerseits zur gegenseitigen Entlastung dienen, andererseits zur Vereinbarung des nächsten Schritts. Danach darf die Fregatte etwas weiter vorrücken, wofür sie eines einheimischen Lotsen bedarf. Natürlich hat sich Rikord seinen Freund Kahei gewünscht, aber der soll es noch nicht sein; dafür ging seine Nähe zu den Russen doch etwas zu weit. Er hat, genau wie die Gefangenen – ohne ihnen schon persönlich zu begegnen –, die Ankunft der
Diana
in Hakodate abzuwarten. Denn dahin sind Golownin und die Seinen von Matsumai feierlich verlegt worden, jetzt nicht mehr Gefangene, sondern Staatsgäste.
Hakodate ist Kaheis Revier; ohne den Fischgroßhändler Kahei gäbe es gar keinen Hafen Hakodate. Dahin steuert nun die
Diana
, geradezu anlegen aber darf sie nicht, Rikord soll sich unter Aufsicht an Land rudern lassen.
Gerade davor hat ihn Golownin durch seinen Sendboten zu warnen versucht. Es war oder wird sein der Matrose Simanow, den das
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