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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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Los bestimmt hat, obwohl – oder eben weil – Moor um jeden Preis als erster seinen Fuß auf die
Diana
setzen wollte. Sonst geschehe ein Unglück! Er allein verfüge über Informationen über die
wahren
Absichten der Japanesen!
    Doch an seiner Stelle hat das Los ein schlichtes Gemüt getroffen, denn Simanow sieht über keinen Gartenzaun hinaus und kannkeinen Auftrag im Kopf behalten. Aber da Rikord die Warnung Golownins nicht gehört hat, braucht er sie gar nicht erst in den Wind zu schlagen. Er hat gelernt, dem Frieden zu trauen, gibt sich getrost in japanesische Hand und setzt unversichert über nach Hakodate.
    Die Behörden werden ein Zollhaus festlich herausgeputzt haben; hier schließen sich die Freunde in die Arme, nach über zwei Jahren zum ersten Mal, nachdem Rikord Golownin in der japanisierten Uniform, die ihm seine Gastgeber angemessen haben, fast nicht wiedererkannt hätte. Zuerst findet das Wiedersehen vor Zeugen statt, dann ohne sie, obwohl sich der Gouverneur Arao Madsumano Kami hinter einem Vorhang die Szene nicht entgehen läßt. Auch er, der Menschenfreund, hat sie sich redlich verdient.
    So wird es vereinbart; so soll es geschehen, so geschieht es, buchstabengenau. Die
Diana
hat ihren Kapitän wieder, der Freund den Freund, und alle zusammen (bis auf einen) die Freiheit.
    Und Kahei? Ist nicht dabei – und ob er bei der Krönung seines Werks ganz freiwillig fehlt, bezweifelt Nadeschda ausdrücklich; entweder sollten seine Bäume nicht in den Himmel wachsen, oder man witterte fremdes Gift in ihren Wurzeln. Genug, er ist krank gemeldet – und bei den Strapazen seiner Mission darf das schließlich niemanden verwundern. Vielleicht halten ihn auch die Seinen fest, die sich glücklich wieder versammelt haben. Ist auch eine ungeratene Tochter wieder dabei, die er verstoßen hat? Nur auf Rikords dringende Vorhaltung war er bereit, sie in den Kreis der Lebenden zurückkehren zu lassen. War sein Sohn dabei, den er – zugunsten seines eigenen jüngeren Bruders – von der Fortführung des Geschäfts ausgeschlossen hat? Gegen Nadeschda hat er dies oder jenes von seinem Familienkreuz durchblicken lassen. Ich darf nicht zweifeln, daß sie in Petropawlowsk seine Adoptivtochter geworden ist – mit Olinka zusammen Teil einer Familie, die sie gewiß mehr entbehrt hat als er.
    Aber nur der Tod hätte Kahei gehindert, seinen russischen Freunden das allerletzte Geleit zu geben; so erschien er denn auch in Nadeschdas Schlußtableau, aufgerichtet wie ein Tännchen. Das Abschiednehmen zog sich hin. Dem Bankett, das die Japanesenden Russen an Land gaben, folgte eine Wiederholung mit umgekehrtem Vorzeichen auf der
Diana
. Viele, auch nicht geladene, dennoch willkommene Gäste ruderten herbei, um das fremde Schiff von außen und innen zu bestaunen – auch Frauenvolk, das neugierig kichernd in alle Winkel huschte und sich mit einer Verbeugung für jeden unerhörten Einblick bedankte. Geschenke duften die japanesischen Freunde auch jetzt nicht annehmen, so daß man ihnen ein paar Andenken nur verstohlen zustecken konnte. Endlich das Finale mit Paukenschlag: ein donnernder Salut über das Wasser hin und her, als die
Diana
Anker lichtet und ein günstiger Wind ihre Segel schwellen läßt. Die Russen haben ihre Freiheit wieder, die Japanesen ihre Ordnung.
    Unter den letzten, welche ich, durch Nadeschdas Augen, die
Diana
auf die offene See hinausgeleiten sah, waren Takada ya Kahei und Murakami Teisuke, zum ersten Mal vereinigt in einem Boot. Als sie dem Schiff nachwinkten, wußten sie: hier fuhr auch ein Stück von ihnen, und sie würden nicht erleben, daß es wiederkam. Aber die Wunde der Trennung war auch der Aufbruch in eine andere Welt. Sie hatten ihn persönlich gewagt und könnten bezeugen, daß die Veränderung, die Japan fürchtet, eine Hoffnung wäre – sie brauchte nur die Menschen zu ändern, auf denen sie beruht.
    Und Midshipman Moor?
    Ich stellte die Frage nicht mehr, ich war kein Spielverderber. Der einzige, der lieber geblieben wäre, wurde erbarmungslos auf das Schiff der Glücklichen getrieben und verschwand im toten Winkel der Geschichte. Nadja sieht nur das geteilte Taschentuch, mit dem sich Kahei und Rikord zum Abschied zugewinkt haben. Es wird sie unzertrennlich machen, unabhängig von Zeit und Raum.
    3 Allmählich war auch Nadeschda so frei, auf ihre Jahre in Petropawlowsk zurückzukommen. Denn hier lag ihre Liebe, immer noch unbegraben. Kahei, mit dem sie kaum reden konnte, war ihr Schutzgeist

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