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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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hat. Bald kommen auch die Gäste wieder, man erwartet einen Empfang. Und am Abend eine kleine Gala –
    Ich
erwarte nichts dergleichen, mein Freund, sagte der Zar, um es deutlich zu sagen: es würde mir zuviel. Was ich erwarte, sind Löwenstern und seine Prinzessin – zur
tea time
, das schaffen Sie doch? Wenn wir Zeugen haben, um so besser – Publikum stört mich nicht. Aber ich bin hungrig. Schreiten wir zum Frühstück, wenn’s beliebt. Es wird die Mittagstafel erübrigen; ich ruhe ein wenig, und danach erleben wir unsere Irren, ein glückliches Paar.
    Otto von Kotzebue verneigte sich stumm. Sie machten sich, der Zar einen Schritt voran, auf den Weg zurück zum Haus, durch den Mitteltunnel des Blütengewölbes, von dem schiefe Seitengängeabzweigten wie Blätter von einem Stengel; aus der Vogelschau hätte man das ganze Labyrinth als Figur einer Rose sehen können. Manteuffel hatte es zu Ehren seiner ersten Frau, der Schäferin, angelegt. Unterwegs schloß Kotzebue zum Monarchen auf und sagte atemlos: Es könnte sein, daß man sie binden muß, Majestät.
    Uns wird niemand in Ketten vorgeführt, Herr von Kotzebue, erwiderte der Zar und rief entzückt: Siehe, wir werden schon erwartet!
    Denn am Ende des Tunnels war, wie ein zierliches Licht, die Gestalt Kittys zu erkennen, in einem losen weißen Umhang, der ihren gesegneten Zustand verbarg. Der Zar riß eine weiße Rose von der Wand, nahm einen humoristischen Kavaliersschritt an und ließ sich, vor Kitty angekommen, auf ein Knie nieder, um sie ihr zu überreichen. Sie knickste errötend, während Otto von Kotzebue weiterging und etwas entfernt mit starrem Lächeln stehenblieb.
    Wie morgendlich Sie sind, Kitty.
    Sie bluten, Majestät, flüsterte sie.
    Immer, sagte der Zar, aber
Sie
mußten kommen, um es zu bemerken.
    Sie neigte sich über seine Hand und preßte die Lippen auf seinen Finger.
    Wie himmlisch, Ihr Märtyrer zu sein, sagte der Zar, Sie haben so viel Linderndes.
    Ich wollte nur zum Frühstück bitten.
    Er bot ihr den Arm und steckte den Finger selbst in den Mund. Dann sagte er: Um Vergebung, daß es fast ein Spätstück geworden ist. Erst schlug ich mich in die Büsche, dann traf ich auf Ihren Gatten, und wir haben uns über Löwenstern unterhalten.
    Löwenstern? fragte Kitty erschrocken, was hast du ihm erzählt, Otto? Er ist harmlos, sanft wie ein Lamm!
    Kotzebue erklärte mit kurzem Lachen: Du weißt, daß du dich nicht aufregen sollst, mein Kind. – Meine Eheliebste hat den Narren an ihm gefressen, aber es ist immer noch genug vom Narren übrig. – Seine Majestät wünschen, daß Ihm das Pärchen präsentiertwird. Ich kümmere mich gleich darum. Bitte um Entschuldigung. Wenn du unserem Herrn so lange Gesellschaft leisten würdest, Kitty?
    Wenn sie ihm ausreicht? fragte seine Frau, und bevor der Monarch mit einem Kompliment antworten konnte, fiel Kotzebue ein:
Daran
zweifle ich nicht.
    3 Die Gesellschaft hatte sich, wie zum Gruppenbild für einen Maler, erwartungsvoll im Salon aufgebaut. Der Zar saß, ohne Verband, in der Uniform eines Gardeobersten auf dem Sofa, neben ihm die Hausfrau; dahinter hatten die Damen auf allen möglichen Sitzgelegenheiten Platz genommen. Die kaiserliche Entourage hielt sich im Hintergrund; Krusenstern belegte den Ohrensessel, die übrigen Herren standen in Gruppen, Schiferli mitten unter ihnen, während Chamisso Abstand hielt. Die Leibgardisten standen an den Wänden verteilt, um alles im Auge zu behalten.
    Zuvor hatte der Hausherr die Gesellschaft mit wenigen Worten eingestimmt und sich entfernt; nun wartete man schon eine ganze Weile flüsternd auf den Einzug der seltsamen Gäste.
    Es war Otto von Kotzebue selbst, in Zivil, aber mit dem Wladimirsorden auf der Brust, der das Paar, von zwei Leibgardisten eskortiert, hereinführte. Der Mann, etwa vierzig, erschien in der Uniform eines Kapitänleutnants der Marine, freilich ohne Waffen, aber aller Augen hatten sich schon auf die Frau gerichtet, die hinter ihm weniger hereinkam als -schlich; denn man konnte die Bewegung ihrer Glieder nur erraten. Sie steckte in einem dunkelblauen Kimono, der fast ihre weißbestrumpften Füße bedeckte; sie schienen eher zu gleiten, als zu schreiten. Das Kleid war von einer lilasilbernen Binde gerafft, deren Schleife im Rücken zu einem kunstvollen Paket geschnürt war. Die Hände versteckten sich in weiten Ärmeln, die den Ansatz eines weinroten Futters hervorleuchten ließen. Ihr Gesicht war weiß geschminkt; ein blutroter Tupfer

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