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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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Mystifikation. August hatte sich Ihre Rolle selbst zugedacht. Der Einfall war zu unwiderstehlich, seine Truppe zuerst das Gruseln zu lehren und ihr am Ende als der
noch
größere Schauspieler zu imponieren.
    Er hat sich verkleidet? fragte Alexander. – Als – Ich? als Wir?
    Man sagte ihm ja eine gewisse Ähnlichkeit nach, sagte Kotzebue, das kam dem Auftritt zustatten.
    Davon höre ich zum ersten Mal, entgegnete der Zar pikiert.
    Jedenfalls gelang der Streich nur zu gut, sagte Kotzebue. – August hatte nämlich den Fehler gemacht, auch das irre Paar zu besetzen. Es hielt den falschen Zaren für den richtigen und versuchte, ihn zu ermorden. Das heißt, die Prinzessin versuchte es, mit einem Messer. Aber sie hat meinen Vater nur geritzt, denn Löwenstern fiel ihr in den Arm.
    Tod dem Zaren
, flüsterte Alexander.
    Sie erinnern sich ja doch, sagte Kotzebue. – Ja, das hat die Frau gerufen.
    Das können sie haben, sagte Alexander fast tonlos, früher, als ihnen lieb sein kann. – Dann richtete er sich auf und lächelte.
    «Resanow», sagten Sie. Das Stück ist mir gar nicht bekannt.
    Natürlich war es gestorben, sagte Kotzebue, und wurde stillschweigendbeerdigt. Mein Vater hat auch auf eine Klage verzichtet. Majestätsbeleidigung! Das wäre das Ende seiner Herrlichkeit gewesen. Vergebung, Majestät. Das sind olle Kamellen. Aber da Sie selbst auf das Gemäuer gestoßen sind … Auch mein Vater gehörte zu den Leuten, die Erfindung und Wirklichkeit nicht immer auseinanderhalten.
    Ist er tot? fragte der Zar.
    Mein Vater ist tot, bestätigte Kotzebue verwundert.
    Ich rede von diesem Löwenstern, sagte der Zar.
    Der bleibt unter Verschluß, sagte Kotzebue, und seine Prinzessin auch.
    Man hat sie hoffentlich nicht zur Rechenschaft gezogen, sagte der Zar. – Sie sind schon gestraft genug. Die Unglückseligen!
    Es macht sich, wie ich höre, sagte Kotzebue. – Sie befinden sich ganz wohl. Es sieht so aus, als hätten sich die Rechten gefunden.
    Wollen Sie sagen, sie sind geheilt? fragte Alexander, und seine Augen begannen zu leuchten.
    Sie scheinen sich jedenfalls selbst zu genügen, sagte Kotzebue, und versorgt werden sie auch. Darum kümmert sich Kitty.
    Es klingt wie ein Wunder, sagte Alexander verklärt.
    Ja, die Frau soll wie verwandelt sein – sie trage sich neuerdings als Japanesin.
    Als Japanesin? Das heißt, sie erfüllt Löwensterns tiefsten Wunsch? fragte der Zar. – Hat sie ihn auch zum Dichter gemacht?
    Ich weiß nur, daß die Schauspielerei kein Ende nimmt. Ich habe einen
wirklichen
Japanesen auf dem Gut. Er ist ein Schiffbrüchiger, ein verlorener Sohn, der hier sein Gnadenbrot ißt. Fremd ist er immer noch und bleibt es bis zu seinem Tod. Aber soviel weiß ich, Majestät: es ist wahrlich kein Jux, Japanese zu sein.
    Doch der Zar schien ihn nicht mehr zu hören. Er war aus dem Rosengewölbe herausgetreten, an den Rand der Terrasse, und blickte ins Weite, über Pflanzgarten und Park zum Hügel hinüber; im fernen Wald zeichnete sich eine Lichtung ab, und in dieser der lückenhafte Umriß einer Festung. Die weiße Reithose des Monarchen zeigte, außer dem Riß, grüne und braune Flecken.
    Ist es möglich, mein Freund, sagte er wie zu sich selbst, wäre es möglich, daß sie glücklich sind?
    Ich? fragte Kotzebue unwillkürlich erschrocken; da wandte sich der Zar lächelnd nach ihm zurück.
    Nein doch, Otto – daß
Sie
glücklich sind, weiß die ganze Welt. Der Gatte Kittys ist ein glücklicher Mann. Ich frage nach Löwenstern und seiner – wie heißt sie denn?
    Ich weiß es nicht, Majestät, sagte Kotzebue, unter uns heißt sie nur
die Prinzessin
.
    Das schickt sich auch für ein Märchen, sagte der Zar, dann frage ich sie selbst nach ihrem Namen. Ich will das Paar sehen, Otto.
    Kotzebue stand versteinert. Dann sagte er: Majestät, es handelt sich immer noch um Verwirrte – sie sind jahrelang nicht mehr in Freiheit gewesen. Die Frau soll nur zwei Worte sprechen, und der Mann gar nichts mehr. Seit dem Attentat soll er verstummt sein. Majestät – Sie dürfen das Gemäuer nicht betreten. Es ist – baufällig, um nicht zu sagen lebensgefährlich. Ich stünde für nichts.
    Aber jemand muß doch hin und her gehen, erwiderte der Zar, also tragen Sie ihm auf, die Leute in Ihr Haus zu holen und zu präsentieren. Ich tue es nicht anders.
    Otto von Kotzebue blickte vor sich auf den Boden. – Ich kümmere mich darum, Majestät, sagte er ingrimmig. – Aber es ist Zeit nötig, bis man sie in einen Zustand gebracht

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