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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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gegenüberstellen. Da könnte er nur lachen.
    Er lacht kaum noch, sagte eine Frau von Knorring. – Das ist mir aufgefallen, als ich ihm in Reval begegnete, zu Johanni letzten Jahres.
    Des
letzten Jahres, Henriette, korrigierte ihr Mann stehend.
    Er ist mit Minchen von Essen verheiratet, sagte ein Herr Dethloff. – Der Tochter des Gouverneurs. Da hat er nichts mehr zu lachen.
    Kinder haben sie auch nicht, meldete sich seine Gattin zu Wort.
    Die Konversation begann, familiär zu werden, zunehmend unbekümmert um die Anwesenheit der allerhöchsten Person.
    Das ist Moor, sagte Krusenstern leise, Midshipman Moor.
    Fi donc
, Adam! zischte seine Gattin, der hat sich doch längst umgebracht!
    Darben hat der Mann jedenfalls nicht müssen, sagte Herr Taube von der Issen. – Das Stift muß ihm bekommen sein.
    Die Japanesin hob zum ersten Mal den Kopf und flüsterte:
Īkoruzu. Īkoruzu
.
    Das sagt sie oft, sagte Kitty. – Nur zwei Worte.
Ikoruzu
und
Hobōrin
.
    Was mag sie meinen? fragte jemand.
    Hobōrin
, wiederholte die Japanesin und berührte den Boden mit der Stirn.
    Was ich wissen möchte, sagte Krusenstern, wie ist die Frau überhaupt nach Rußland gekommen?
    Es sind viele Schiffbrüchige an unsere Küsten gespült worden, Admiral, sagte der Zar, und gerettet worden an Leib und Seele, schon zu Zeiten meiner verewigten Großmutter.
    Männer
ja, Majestät, inzwischen müssen es hundert sein. Ich habe ja selbst drei davon nach Nagasaki überstellt. Aber noch nie eine Frau. Und warum kann sie nur zwei Wörter und kein Wort Russisch?
    Wissen wir denn, was dieser Mann redet? fragte Juliane von Krusenstern.
    Er hat vor kurzem Geschlechtsverkehr gehabt, sagte Schiferli. Und fuhr, in betretenes Schweigen hinein, ungerührt fort: Das sehe ich am Unterlid.
    Der Zar hatte sich erhoben und ließ sich neben der Frau auf ein Knie nieder, worauf sie sich wieder tief zum Boden beugte.
    Geschätzte Prinzessin, sagte er, und zum ersten Mal hörte man ihn Russisch reden. – Was kann man für Sie tun?
    Die Frau begann, mit der Stirn auf den Boden zu schlagen, und flüsterte:
Hobōrin Ikoruzu. Ikoruzu Hobōrin
. – Die gezogenen Vokale hörten sich wie Wehlaute an.
    Als der Zar den Kopf hob, hatte er Tränen in den Augen. – Ich verstehe sie, sagte er. – Sie hat Heimweh. Sie möchte nach Hause. – Er stand wieder auf, nicht mühelos, und wandte sich an den Hausherrn, mit hoher, kaum noch beherrschter Stimme: Sie segeln bald wieder in den Osten, Herr von Kotzebue. Sie nehmen sie mit.
    Wie meinen –? stammelte der Hausherr.
    Sie fahren in Japan vorbei und lassen die Unglückliche aussteigen.
    Ich werde mich hüten, Majestät, stieß Kotzebue, blaß, doch entschieden hervor.
    Soll mein Mann das Schicksal Golownins erleiden? fragte Amalie.
    Hobōrin,
sagte die Japanesin. –
Hobōrin!
    Keine Angst, liebes Kind, sagte der Zar.
    Sie meint «Golownin», sagte Krusenstern. – Die Japanesen können unsere Namen nicht aussprechen.
    Es genügt ja wohl, nach Petropawlowsk zu fahren, sagte der Zar. – Dann kann sie jemand mitnehmen, der nach Japan weiterreist.
    Nach Japan reist niemand
weiter
, Majestät, sagte Kotzebue, es ist ein verschlossenes Land. Und wenn die Person trotzdem hinkäme, würde sie nichts Gutes erwarten. Einen Mitbürger, der aushäusig gewesen ist, nehmen die Japanesen nicht mehr auf. Sie töten ihn wohl nicht, aber er bleibt ein Gefangener auf Lebenszeit. Was täten sie mit einer Frau? Nicht auszudenken.
    Interessant, ließ sich Schiferli vernehmen. – Tiere reagieren gleich. Kürzlich fand unser Sami beim Kornschneiden ein Rehkitz und war so dumm, es aufzulesen. – Leg das wieder hin,
Donnerslöu!
fuhr ich ihn an, aber es war zu spät. Die Rehmutter nahm es nicht mehr an. Es wäre umgekommen, wenn es die Großfürstin nicht mit der Flasche aufgezogen hätte. Da wurde es zahm wie ein Haustier und wäre immer noch da, wenn es der Bärry nicht gerissen hätte, der
Löu
. Für den blieb es ein Stück Wild. Ja, der Nestgeruch! Natur bleibt stur!
    Vielleicht, sagte der Zar, sollte man mit diesen Japanesen doch einmal deutlich werden.
    Kein Problem, Majestät, sagte von Üxküll, ein ausgedienter General, nur eine Frage der Mittel. Eine brave Kanonade, und das Land fällt wie ein Kartenhaus.
    Ich warne, sagte Kotzebue. – Japan ist ein Faß ohne Boden. Erobern kann man es vielleicht, aber halten? Rußland braucht kein Abenteuer. Es braucht Reformen.
    Die Gesellschaft erschrak, doch der Zar lächelte nur. Der vermeintliche

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