Loewenstern
haben
Sie
seine Blöße aufgedeckt, wie es im Buche steht. Herzlichen Glückwunsch!
Wozu? fragte ich verwirrt und starrte Böttiger in die schwülen Augen.
Jetzt sagen Sie nur noch, Sie wüßten nicht, mit
wem
Sie getanzt haben!
Wahrhaftig, ich wußte es nicht.
Mit der Demoiselle Vulpius, keuchte er triumphierend. – Dem Bettschatz des Herrn Geheimrats, die immer noch davon träumt, einmal Frau von Goethe zu heißen! – Ich war doch aber in seinem Haus, stammelte ich, und bin ihr gar nicht begegnet.
Ja, glauben Sie denn, er zeigt sie vor? feixte Böttiger. – Kann sie sich sehen lassen? Urteilen Sie selbst. Ja, Goethe ist kein Kotzebue! Keine sittlich gefestigte Persönlichkeit! Von der poetischen Kraft ganz zu schweigen.
Für diesen Abend war es schon zuviel, aber noch nicht genug, denn nun kam Friederike, meine vielseitige Gastgeberin, um mich beim Arm zu nehmen. Sie hatte Böttigern mitgehört. Nun fühlte sie sich berechtigt, Goethen zu entlasten.
Ich mußte nämlich wissen, daß er zu der Mamsell, die er sich ins Haus geholt und mit der er auch Kinder gezeugt hatte – leider lebte nur noch das erste, ein Sohn –, als Ehrenmann gestanden und dafür sogar das Mißvergnügen hiesiger Gesellschaft auf sich genommen habe. Als die Großherzogin-Mutter dieser Person durchaus nicht habe begegnen wollen, habe er den Lotterhaushalt ins Jägerhaus ausquartiert. Auch wenn eine Heirat natürlich nicht in Betracht komme, behandle er die Mamsell mit Zartgefühl und lasse sich auch, wenn sie über die Stränge schlage, in seiner Zuneigung nicht beirren. Ihre liebste Gesellschaft, und die ihr am besten entsprechende, seien die Schauspieler. Wenn es um Theater gehe, wisse sie ihren Beschützer auch zu beraten, namentlich in Personalien, bei denen das Genie nicht die sicherste Hand habe. Die Vulpius habe gewiß geglaubt, ihm einen Dienst zu tun, wenn sie ihn an dieser Soiree vertrete. Sie tanze für ihr Leben gern, und man könne Gott danken, wenn sie nicht auch noch
singe!
Ihre Tränen hätten nichts zu bedeuten, sie halte nun einmal ihr Wasser nicht; könnte man dasselbe nur auch vom Wein sagen, den sie zu vertragen glaube. Eine Meinung, mit der sie leider allein stehe.
Ich sagte nur noch: Entschuldigen Sie mich, liebe Friederike, ich brauche Luft.
Mein Weg führte mich wie von selbst zum Frauenplan, wo in Goethes Haus kein Licht mehr brannte; doch die Privaträume liegen nach der Hinterseite. Hier also lebte ein Paar? Aber die Frau war allein; allein hatte ich sie auch bei der Löwenstern sitzen sehen, gottverlassen, trotz der peinlichen und heimlich mokanten Fürsorge, mit der die Gesellschaft sie umgab, um sie schonend zu entfernen. Nachträglich stand mir das Haar zu Berge über die Rolle, die ich ahnungslos gespielt hatte. Nie wieder Weimar.
Um ein letztes Frühstück bei Löwenstern kam ich dennoch nicht herum; diesmal hechelte Friederike nur die Jagemann durch.
Die
lerne jetzt ihre Grenzen kennen. Welcher Fehler, sie überhaupt zu engagieren – die Tochter des hiesigen Bibliothekars, nach der kein Hahn gekräht hätte, wenn sie nicht so pfiffig gewesen wäre, anderswo
bella figura
zu machen. Darauf sei auch Goethe hereingefallen. Vielleicht habe er gehofft, sie mit dem Herzog zu teilen, wie vormals die Corona Schröter. Aber die sei eben nicht nur Schauspielerin gewesen, sondern
Künstlerin
. Jetzt versuche die Jagemann den Trick mit dem Sich-rar-Machen wieder – und überschätze die Lücke, die sie hinterlasse.
Auf die Dauer
sei der Herzog nicht der Mann, sich blenden zu lassen.
Inzwischen melden die Petersburger Blätter, die Jagemann sei in Weimar zurück. Offenbar wußte sie, wie man die Dinge auf die Spitze treibt und wann man es auf einen Rücktritt ankommen lassen kann. Der Herzog nahm ihn nicht an, und damit hat sie sich seiner wieder bemeistert – und mit ihm auch des Theaters. Goethe hat verloren.
Der Postwagen wartete, der Abschied fiel mir leicht und schwer, die «Mamsell» ging mir nach. Sie ist keine Schauspielerin, Exzellenz, sie ist auch betrunken keine gewesen. Sie hat, als wir tanzten, Schutz gesucht vor sich selbst, eine Stütze gegen ihr Elend. Ich konnte irgendein Mann sein, aber bei
keinem
wäre sie auf den Gedanken gekommen, ihren Einzigen zu betrügen. Doch was die Jagemann betrifft … ich habe sie zu Berlin gesehen, als Ion, in einer Knabenrolle, und von ihr geträumt. Nur ihres Klärchens wegen wollte ich den «Egmont» sehen, in der Hoffnung, ihr später im Löwensternschen
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