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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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zerrütteten Familie aufgewachsen; Schaden genommen habe ich genug und lernte mir den Luxus abgewöhnen,darunter auch noch zu leiden. Lieber ziehe ich mich ganz zurück. Auf einem Schiff ist das nicht möglich, und oft genug war uns nur noch durch gemeinsame Lebensgefahr zu helfen. Dann verbreitete sich im Käfig ein Hauch von Disziplin und wich erst bei guter Fahrt wieder dem normalen Bürgerkrieg. Der Aufenthalt in Nagasaki war beides, eine Katastrophe und eine Erlösung. Denn die Japanesen spalteten uns wenigstens in übersichtliche Lager. Resanow, der an Land residieren wollte, verschanzte sich in seiner Ratteninsel, die Seeleute kampierten auf der
Nadeschda
. Und von da an spielte sich der Verkehr unter den Russen fast so zeremoniell ab wie der mit den Einheimischen. Der Gesandte kam nur noch an Bord, um sich mit Spalier und Ehrensalve huldigen zu lassen; wir durften an Land, um ihm als Staffage zu dienen und zur Polizeistunde wieder abzufahren.
    Was für ein Bild Europas haben wir geboten!
    Wenn sich der Zar eine Annäherung an Japan versprach, hätte er dafür keinen Handelsmann wählen dürfen. Denn diesen Stand, reich oder nicht, schätzt man hier so gering, daß er noch unter Bauern und Fischern rangiert. Überhaupt steckte der Wurm unserer Expedition im Durcheinanderwerfen von Forschungs- und Geschäftsinteresse. Warum ist Japan verschlossen? Weil es sich gegen Händler verwahrt. Resanow
verkörpert
geradezu den Unfrieden, der im Lande nicht mehr aufkommen soll – um buchstäblich keinen Preis. Der Verkehr mit Japan wird Menschen vorbehalten sein, die für Würde stehen, und was eine Gesellschaft der Gierigen wert ist, haben wir ihnen zur Genüge vorgeführt. Wir hatten die Kühnheit, ihrem Kaiser einen
Spiegel
als Geschenk verehren zu wollen; offenbar in Fortsetzung der Glasperlen, mit denen wir uns die Insulaner der Südsee kaufen konnten. Die Japanesen seien immerhin etwas Besseres, muß sich der Hof zu Petersburg gedacht haben, also müsse das Glas
riesig
sein. In diesem Spiegel, Exzellenz, hätten wir uns selbst betrachten sollen, bevor wir ihn am Ende wieder einpacken mußten, um das Sperrgut auf dem Trödelmarkt von Petropawlowsk zu verscherbeln.
    Die Japanesen fanden eine ganz eigene Art, uns abblitzen zu lassen.Sie meldeten, es werde selbst einer großen Mannschaft fast unmöglich sein, einen so großen Spiegel in die siebenhundert Werst entfernte Hauptstadt zu tragen. – Wozu man denn Träger brauche, wenn man Lasttiere habe, zumal man den Spiegel ja auch stückweise transportieren könne? – Bewahre! ein Geschenk des russischen Kaisers wolle am Stück nach Edo
getragen
sein – wie der Elefant, den der Kaiser von China dem Kaiser von Japan verehrt habe. – Resanow blieb schwer von Begriff: nicht der auf Händen getragene Elefant war absurd, sondern das Geschenk
als solches
nicht annehmbar. Er zog es vor, schwer beleidigt zu sein. Er verstand ebensowenig, warum er Menschen, die von ihm nichts geschenkt nahmen, auch nichts verkaufen konnte – am wenigsten Pelze, an denen der Geruch von Totschlag haftet. Japanesen gehen lieber in Strohsandalen durch Regen und Schnee als in Stiefeln aus Leder und Fell!
    Aber daß Resanow auch seinerseits diesen Leuten nichts abkaufen kann, nicht einmal eine Lackschale, geht vollends über seinen Verstand. Nicht einmal für die Vorräte nehmen sie Geld, mit denen sie die
Nadeschda
reichlich ausstatten – am generösesten zum Abschied. Wenn sie nur verschwindet! Und den ganzen Kram wieder mitnimmt, den sie angeschleppt hat! Die Inspektoren haben unser Schiff genau inventarisiert – keinen Nagel durften wir zurücklassen. Gastfreundschaft in Ehren – aber Beziehungen läßt sich das Land nur gefallen, wenn es sich in der Lage fühlt, sie zu erwidern. Rußland aber gehört zu jener Außenwelt, mit der es nichts zu tun haben will. Und da ein halbes Jahr Untätigkeit im Hafen nicht ausreichte, daß Herr Resanow von selbst auf diese Tatsache kam, mußte sie ihm in gehöriger Form beigebracht werden. Natürlich nicht durch den «Kaiser» in Person, und schon gar nicht in der Hauptstadt, sondern durch einen sehnlich erwarteten «Groten Heer», der abgesandt wurde, um Resanow in zwei Audienzen zu erklären, daß man ihn leider
nicht
als Gesandten behandeln könne – er möge sich darum als nichtexistent betrachten. Das war, für einen Mann von Resanows Eitelkeit, ein starkes Stück. Was Wunder, daß er Rußland für tödlich beleidigt hielt.
    Beinahe hätten wir

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