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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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ich. Natur ist eins, ein Mann etwas anderes.
    Das Anziehen ist rasch getan. Habe ich schon gesagt, daß auch Nadja nur ein loses Anstaltsmäntelchen trägt? Ihres ist stahlblau, wie die Dwina bei Eisgang. Sie ließ mir ein Glas Schwefelwasser aus dem Hahn, und gleich noch eins. Ich stürzte es mit angehaltenem Atem.
    Es war einmal eine Frau, die kriegte jedes Jahr ein Kind. Da ging sie zum Popen und fragte: Was kann ich dagegen tun? Trinken Sie ein Glas Wasser, sagte er. – Vorher oder danach? –
Anstatt
, sagte der Pope.
    Nadja lächelte nicht. – Ich empfange nicht mehr, sagte sie, Sie brauchen sich keinen Zwang anzutun. Wie fanden Sie das Gedicht?
    Welches Gedicht?
    Es liegt in Golownins Gefangenschaft, sagte sie. – Handgeschrieben.Ich verstehe es nicht, aber finde es schön. Lesen Sie es mir doch einmal vor.
    Ich hatte die Bände nie angefaßt, jetzt mußte ich wohl; da fiel mir ein Blättchen entgegen – und da war sie noch einmal, seine Hand, großzügig, übersichtlich, keine Kurrentschrift.
    Laß dir von den Spiegeleien
    Unsrer Physiker erzählen,
    Die am Phänomen sich freuen,
    Mehr sich mit Gedanken quälen.

    Spiegel hüben, Spiegel drüben,
    Doppelstellung, auserlesen,
    Und dazwischen ruht im Trüben
    Als Kristall das Erdewesen.

    Dieses zeigt, wenn jene blicken,
    Allerschönste Farbenspiele,
    Dämmerlicht, das beide schicken,
    Offenbart sich dem Gefühle.

    Schwarz wie Kreuze wirst du sehen,
    Pfauenaugen kann man finden,
    Tag und Abendlicht vergehen,
    Bis zusammen beide schwinden.

    Und der Name wird ein Zeichen,
    Tief ist der Kristall durchdrungen:
    Aug in Auge sieht dergleichen
    Wundersame Spiegelungen.

    Laß den Makrokosmus gelten,
    Seine spenstischen Gestalten!
    Da die lieben kleinen Welten
    Wirklich Herrlichstes enthalten.
    Bei «wirklich» brach meine Stimme.
    Sie sagte: Weinen Sie ruhig, Herr Löwenstern.
    Als sie hinausging, hörte die Uhr zu ticken auf. Wann hatte sie wieder damit angefangen?
    2 Die Bekanntschaft mit Nadja hatte überraschend begonnen. Am dritten oder vierten Tag, als ich aus der Schuttecke kam, wo ich mit Steinbrocken Figuren gelegt hatte, erwartete ich, meine Klause leer zu finden wie immer. Aber eine Frau hockte auf dem Bärenfell, und als ich die Tür geschlossen hatte, schlug sie ihren blauen
yukata
auseinander, legte sich auf den Rücken und öffnete die Beine.
    Ist was? fragte sie nach einer Weile, als ich mich nicht rührte.
    Sie verbarg nicht einmal ihr Gesicht. Es wirkte starr, ohne Leben, und sie hatte mit keiner sichtbaren Kosmetik nachgeholfen. Nur die Stirn war rein, und das schwarze Haar so voll, daß es kaum echt sein konnte. Ich sah die zerfurchten Wangen, den schiefen Mund – der linke Mundwinkel war wie angebunden –, die Falten an Hals und Bauch, matte Haut um die Schlüsselbeine, flache Brüste. Arme und Unterschenkel waren sehnig und gefleckt, Hände und Füße unweiblich groß. Ihren Augen, die zur Seite gewandert waren, begegnete ich nicht, aber sie wirkten wach, und die fast farblose Iris hatte einen goldenen Rand. Ihr Schamhaar sträubte sich wie ein Grasbüschel über der Falte des Geschlechts.
    Nur mal reinstecken, das tut Ihnen gut. Augen zu und an was Schönes denken.
    Da ich nicht reagierte, setzte sie sich auf und zog den Mantel vor der Brust zusammen. Dann sah sie mir ins Gesicht.
    Ich will kein Geld, sagte sie. – Ich bin schon bezahlt.
    Das kann ich mir denken, sagte ich.
    Und ich bin alt, sagte sie.
    Und wenn, sagte ich.
    Das meinen Sie im Ernst.
    Ja.
    Ich habe es schon mit vielen Männern getan.
    Das glaube ich gern.
    Aber es gibt nur einen, den ich geliebt habe.
    Muß ich das wissen? fragte ich.
    Ich liebe ihn immer noch, sagte sie. – Ja, das müssen Sie wissen. Ich heiße Nadja.
    Und wie noch? fragte ich.
    Nadeschda Iwanowka Loginowa, sagte sie, eigentlich Benjowskaja. So hieß mein Großvater.
    Wo sind Sie geboren? fragte ich.
    In Kamtschatka, sagte sie. – Bolscherezk. Gearbeitet habe ich in Petropawlowsk.
    Da war ich zweimal. Ich könnte Ihnen begegnet sein.
    Sie waren mein Kunde, Ermolai Levenshtern, aber das ist viele Jahre her. Kein Wunder, daß Sie mich vergessen haben.
    Ich schwieg, und sie lachte. – Wollen Sie jetzt vögeln oder nicht?
    Es ist mir nicht recht danach, sagte ich. – Nur mit Ihnen schlafen, wenn Sie erlauben.
    Dann probieren wir das doch, sagte sie.
    Ich legte mich zu ihr und begann, ihren Körper zu erkunden, mit Fingerspitzen, bald auch mit den Lippen. Mein Knecht rührte sich entschieden. Als er

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