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Loewinnenherz

Loewinnenherz

Titel: Loewinnenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Senguel Obinger
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mit voller Wucht auf meinen schwangeren Bauch fallen, ich wollte, dass er aufplatzte und alles zu Ende wäre, ich wollte dieses Kind nicht auf eine Welt bringen, in der es nur Gewalt und Lieblosigkeit gab. In diesem Moment erschrak selbst Refik und ließ von mir ab. Er holte meine Schwägerin und befahl ihr, nach mir zu sehen. Ich war so verzweifelt, weinte und schrie, dass Gülay ihm Vorwürfe machte und ihn bat, mich doch schonender zu behandeln. Sogar meine Mutter kam dazu und wollte wissen, was passiert sei. Da fühlte sich Refik offenbar in die Enge getrieben, wurde schrecklich aggressiv, schrie und tobte, und rannte schließlich aus dem Haus, stieg in sein Auto und brüllte, er werde jetzt losfahren und sich umbringen.
    |91| Der Tumult war unbeschreiblich: Meine Mutter stellte sich vor das Auto und schrie, ich selbst stellte mich ebenfalls vor das Auto und weinte, denn natürlich wollte ich nicht am Tod meines Mannes schuld sein, das hätte mir die Familie niemals verziehen. Zu allem Überfluss kam auch noch unsere Nachbarin aus dem Haus. Refik gab trotzdem Gas und raste davon.
    Natürlich nahm er sich nicht das Leben. Danach versuchte meine Mutter zwischen uns zu schlichten, sie wollte wissen, was eigentlich los gewesen sei, herrschte Refik an, ob er noch bei Verstand sei, und mich, ob ich nicht verdammt nochmal endlich mein freches Mundwerk halten könnte und meinem Mann gehorchen. „Wenn du ihm gehorchst, schlägt er dich auch nicht“, sagte sie zu mir. Wieder war ich die Schuldige. Nach und nach begann auch ich das zu glauben und hatte ein schlechtes Gewissen, denn ich war wieder zur Besinnung gekommen und hatte nun panische Angst, dass das Kind in meinem Bauch tatsächlich sterben könnte.
    Aber mein Kind starb nicht. Die Schwangerschaft wurde immer unerträglicher, je weiter sie voranschritt. Durch den ständigen Nierenstau konnte sich mein Körper nicht reinigen und ich bekam hohes Fieber. Immer wieder ging es von Neuem los, erst die Nierenbeckenentzündung und dann der Harnstau. Regelmäßig musste der Urin mit dem Katheder geholt werden, was unendlich schmerzhaft war. Ich verbrachte mehr Zeit im Krankenhaus als zu Hause, ständig hing ich am Tropf, war eine Woche daheim und zwei Wochen im Krankenhaus, zwei Wochen daheim und drei Wochen im Krankenhaus. Wenigstens war ich dort vor Refiks Misshandlungen sicher. Schließlich drohten das Kind und ich an einer Blutvergiftung zu sterben, und darum beschlossen die Ärzte im achten Monat die Geburt einzuleiten. Es dauerte keine Stunde bis das Kind auf die Welt kam.
    Es war ein Mädchen. Gott hatte meine Gebete erhört. Ich nannte sie Berna, das bedeutet „die Mutige, die Kräftige“. Ich fand, diese Eigenschaften könnten ihr auf dieser Welt nicht schaden. Als mein Ehemann erfuhr, dass es kein Sohn war, wollte er |92| das Kind nicht einmal sehen. Ein Mädchen war nichts wert für ihn. Ich hasste ihn umso mehr.
    Berna war tief blau angelaufen, als sie auf die Welt geholt wurde, auch für sie war es höchste Zeit. Sie wog nur 2300 Gramm und musste in den Brutkasten. Aufgrund der Antibiotika, die ich nehmen musste, durfte ich sie nicht stillen. Dabei hatte ich volle Brüste, sie platzten beinahe, doch meine Milch wurde abgepumpt.
    Auch nach der Geburt war ich noch viele Wochen lang krank, und ich wünschte mir oft, einfach sterben zu dürfen, um die entsetzlichen Schmerzen nicht mehr zu fühlen. Berna musste zwei Wochen lang im Brutkasten liegen, ich durfte sie täglich besuchen und sie in ihrem Kasten betrachten. Ab und zu konnte ich sie auch auf den Arm nehmen. Wir wurden nach zwei Wochen gemeinsam entlassen.
    Ich liebte Berna und sorgte für sie. Damals hielt ich das, was zwischen uns war, für normal, in meiner eigenen Kindheit hatte ich es mit meiner Mutter auch nicht anders erlebt. Doch erst seit ich in meiner jetzigen, außerordentlich glücklichen Liebesehe ein zweites Kind bekommen habe, kenne ich den Unterschied. Heute weiß ich, wie sich wirkliche Mutterliebe anfühlt, und kann sie auch für meine Berna empfinden. In den ersten Jahren belastete es mich sehr, dass Berna ihrem Vater unglaublich ähnlich sah, sodass ich in ihren kindlichen Zügen immer Refiks Gesicht gespiegelt sah, und es dauerte einige Jahre, bis es mir wirklich gelang, ihre Persönlichkeit in ihr zu sehen, und mich nicht stets an meinen Peiniger erinnert zu fühlen.
    Nach der Geburt versuchte ich eine Zeit lang aufrichtig, eine gute Ehefrau zu sein. Dazu gehörte für mich auch,

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