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Loewinnenherz

Loewinnenherz

Titel: Loewinnenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Senguel Obinger
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meinen Mann gut zu beraten. Ich überzeugte ihn, dass er in Deutschland nur eine Zukunft hätte, wenn er Deutsch lernte, und tatsächlich meldete er sich zu einem Sprachkurs an. Doch Deutsch lernte er nie besonders gut. Er hatte Heimweh und sprach ständig davon, zurück in die Türkei zu gehen. Das war einer der Punkte, in dem ich von Anfang an keine Kompromisse machte. „Du kannst in |93| die Türkei zurückkehren, wann immer du willst. Aber Berna und ich bleiben in Deutschland.“ Und davon rückte ich niemals ab, egal, wie sehr er mich schlug.
    Solange wir im Haus meiner Eltern wohnten, hielt Refik sich noch einigermaßen zurück. Aber er wollte unbedingt so schnell wie möglich in eine eigene Wohnung ziehen. Und im zweiten Jahr unserer Ehe zogen wir nach Erlangen, weil es unmöglich war, etwas in Nürnberg zu finden.
    Kaum waren wir in unsere neue Wohnung eingezogen, prügelte mich mein Mann so sehr, dass ich für kurze Zeit ins Krankenhaus musste. Die Polizei erschien bei mir, und forderte mich auf, Strafanzeige gegen meinen Mann zu stellen. Doch das lehnte ich stets ab. Im Gegenteil, ich deckte ihn auch noch. Auch meinen Eltern sagte ich nie, dass er mich schlug. Hatte ich wieder Blutergüsse und andere Wunden, dann behauptete ich, ich sei im Badezimmer ausgerutscht, die Treppe hinuntergefallen, und was geschlagene Frauen sich sonst noch einfallen lassen, um ihre Ehemänner zu schützen. Und obwohl jedem klar sein musste, dass ich unmöglich jede Woche aufs Neue im Bad ausrutschen konnte, akzeptierten meine Eltern diese Notlügen ohne mit der Wimper zu zucken. Einmal erzählte ich meiner Mutter, dass Refik mich zum Geschlechtsverkehr zwang, wann immer er wollte. Da antwortete sie mir: „Wieso muss er dich zwingen? Es ist deine heilige Pflicht als Ehefrau, das zu tun. Du musst ihn glücklich machen.“
    „Und ich?“, fragte ich verzweifelt, „darf ich nicht glücklich sein?“
    „So ist das nun mal“, sagte meine Mutter. Und damit war die Sache für sie erledigt.
    Einmal sahen wir im Fernsehen einen türkischen Sänger. Als ich sagte, dass er mir gefiel und seine Stimme ebenfalls, trat mich Refik so hart und unvermittelt mit dem Fuß, dass mir für einige Sekunden die Luft wegblieb. Eine Rippe war gebrochen, und vier Monate lang konnte ich mich nicht richtig bewegen.
    |94| Dass ich regelmäßig Prügel erhielt, daran hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Umso schockierter war ich, als ich das erste Mal mitbekam, dass auch unsere kleine Berna von der Brutalität ihres Vaters nicht verschont blieb. Damals war sie gerade ein halbes Jahr alt.
    Es war an einem Abend, und Berna war müde, weinte und wollte ins Bett. Wir waren im Auto nach Hause unterwegs und hielten noch kurz an einer Tankstelle an, weil ich Zigaretten kaufen wollte. Es dauerte ziemlich lange, bis ich an der Reihe war, denn an der Kasse war eine lange Schlange. Als ich wieder zurück zum Auto kam, war Berna still. Ach, dachte ich, wie schön, die Kleine hat sich beruhigt.
    Erst zu Hause bei Licht erkannte ich, dass Berna im Gesicht eine unnatürlich dunkelrote Stelle hatte mit winzigen blauen Pünktchen.
    „Was hast du mit ihr gemacht?“, schrie ich Refik an.
    „Ihr eins mit der Faust gegeben. Dann war sie still.“
    Ich konnte es kaum fassen.
    „Du hast dem Kind mit der Faust ins Gesicht geschlagen?!“
    Aber ich bekam keine Antwort mehr. Und wusste, wenn ich nicht den Mund halte, dann verprügelt er auch mich.
    In dieser Nacht weinte ich bitterlich. Berna war so ein liebes Kind. Natürlich war sie lebhaft, schmiss auch mal die Sofakissen durch die Gegend, kreischte und wurde lauter. Dass das ganz normal ist für ein Kind, das konnte ich diesem Monster von einem Vater nicht verständlich machen. Als er merkte, wie sehr ich mich aufregte, wenn er das Kind schlug, tat er es nur noch, wenn ich nicht dabei war. Oft schloss er sich mit ihr im Kinderzimmer ein, und ich hörte nur seine Schläge und das verzweifelte Schreien meines Kindes, während ich vor der Tür saß, mir die Nägel blutig biss und die Haare ausriss.
    „Warum tust du das?“, fragte ich ihn unter Tränen.
    „Weil es ein Mädchen ist“, sagte er.
    Als er bemerkte, wie weh mir das tat, ging er dazu über, Berna statt meiner zu schlagen. Damit hatte er mich noch weit besser |95| im Griff, als wenn ich die Prügel bezog. Ich konnte selbst entscheiden, was ich aushalten konnte und was nicht. Aber das Kind war ja so hilflos, und so tat ich alles, was er von mir verlangte. Er

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