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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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seine Opfer über Tage quält, hat doch auch gewisse Opferschemata. Jemand, der vergewaltigt, tut das nur |50| bedingt aus körperlicher Lust. Macht und Wut sind eine stärkere Triebfeder.«
    »Ja, das ist richtig. Natürlich ist das schon seltsam. Ein Täter, der sich wahllos Opfer in für ihn günstigen Momenten greift,
     begeht meistens sehr schnell danach seine Tat. Jemanden gefangen zu halten und zu quälen deutet schon auf eine persönliche
     Rache hin.«
    »Zumal die Gefahr, dass das Opfer doch entwischen könnte, ja immer gegeben ist. Befürchten würde ich das auf jeden Fall, auch
     wenn ich das Opfer rund um die Uhr bewache.«
    »Du ja, aber du bist beim BKA und kein potenzieller Mörder.« Ich lachte leise, obwohl ich gar nicht heiter war.
    »Gut«, sagte Robert nachdenklich. »Vermutlich hast du recht. Trotzdem. Das sind Gedanken, die uns beschäftigen. Solche Gespräche,
     wie hier mit dir, bringen die OFA weiter. Keiner von uns hat den Täter vor sich sitzen, alles ist hypothetisch. Und du hast
     klare Gedankengänge, du bringst neue Impulse.«
    Und ich kannte das Opfer, dachte ich. Ja, ich kannte Sonja, aber das war früher, damals. Damals hatte ich anders empfunden,
     und es war eine lange Zeit her. In sechs Jahren tat sich viel für Jugendliche, junge Erwachsene. Sie schließen die Schule
     ab, wählen einen Beruf, gehen neue Wege, treffen neue Leute, entwickeln sich. Alles Dinge, die ich bei Sonja weder miterlebt
     hatte, noch beurteilen konnte. Ich seufzte.
    »Ich würde keine Hilfe sein, Robert. Wirklich nicht«, sagte ich leise. »Dazu weiß ich zu wenig. Aber das Wenige, was ich weiß,
     macht mich befangen.«
    »Ich bin offen für alles, Constanze. Vielleicht musst du es nur zulassen«, beschwor er mich.
    »Guten Morgen.« Martin betrat die Terrasse. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Er wischte sich über den Kopf und sah über die
     Felder. »Scheint ein schöner Tag zu werden.«
    Mich beachtete er nicht. Keine Hand auf die Schulter, keine Umarmung, kein Kuss. Ich wurde steif, und mich fror auf einmal.
    |51| »Ich habe gesehen, dass du Brötchen geholt hast, Constanze. Danke. Wollen wir frühstücken? Hier draußen ist es zu frisch.
     Maria hat drinnen den Tisch gedeckt.« Er schenkte uns ein flüchtiges Lächeln, ging wieder hinein.
    Robert sah in seine inzwischen leere Kaffeetasse. »Frühstück klingt gut. Wollen wir?«
    »Ich komme gleich.«
    Als alle beide gegangen waren, lehnte ich mich zurück. Was passierte hier? Ich konnte es nicht greifen. Roberts Wunsch, dass
     ich in der OFA mitarbeiten, ihnen wenigstens zuarbeiten sollte, war spürbar. Ebenso Martins Distanz. Was wollte ich? Es war
     mir nicht klar. Zumindest hier bleiben und innerlich frieren wollte ich nicht. Ich wollte nach Hause, und Zuhause war im Moment
     Aachen. Dort konnte ich zumindest die Akten suchen. Was ich dann tun würde, läge in meiner Hand. Ich stand auf, nahm meine
     Tasse, straffte die Schultern.
     
    »Ich fahre mit dir.« Überrascht sah ich Martin an. Damit hatte ich nicht gerechnet.
    »Wieso?«
    »Das Fax ist kaputt. Internet geht noch, aber sie wollen uns Berichte schicken. Dafür brauchen wir ein Fax oder zumindest
     einen Drucker. Wenn wir alle vor dem kleinen Laptop hängen, brauchen wir Stunden, um die Daten zu analysieren. Ich nehme das
     Fax und den Drucker aus Aachen mit. Dann brauchst du auch nicht alleine zu fahren.« Er schenkte mir ein Lächeln, ohne mich
     anzusehen.
    Ich schluckte hart. »Ja, dann packe ich mal.«
     
    Zehn Minuten später hatte ich meine Sachen beisammen und Charlie an der Leine. Er sah mich an, schien befremdet. So als wollte
     er sagen: Warum fahren wir schon wieder?
    Ich kraulte ihn hinter den Ohren, da wo sein Fell am weichsten war.
    »Bist du fertig?« Wieder sah Martin mir nicht in die Augen. »Wir nehmen den Touran.«
    |52| »Warum?«
    »Weil ich gleich wieder zurückfahren werde.«
    »Dann habe ich keinen Wagen.«
    »Ich lasse dir den Golf bringen. Heute oder morgen.«
    »Na, vielen Dank«, murmelte ich und stieg ein.
    Die erste Strecke fuhren wir schweigend. Dann endlich brach Martin die Stille.
    »Es gibt etwas, was ich dir sagen muss.«
    »Ach ja?« Ich biss mir auf die Lippe. Auf dem Rücksitz lag Charlie und hechelte leise.
    »Ja, Conny. Ich fand es so mutig von dir, alleine in die Eifel zu fahren. Wirklich. Mein Respekt.«
    »Zu blöd aber, dass du mit deinen Freunden da warst.« Ich grinste hämisch, fühlte mich jedoch schwach. Irgendetwas war im
    

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