Lohn des Todes
nicht.
»Conny! Constanze!«, rief er wieder. Laut, verzweifelt. »Bitte, geh nicht. Bitte lass uns reden.«
|55| Nun drehte ich mich doch um. Er klammerte sich an der Wagentür fest, sah mir hinterher.
»Reden? Worüber? Du musst eine Entscheidung treffen und ich vermutlich auch. Sag Kemper, dass ich auf keinen Fall bei der
OFA mitarbeite. Falls ich etwas Wichtiges finde, setze ich mich mit ihm in Verbindung.« Ich schluckte, zögerte, sprach dann
weiter. »Tu mir einen Gefallen, bevor nicht alles entschieden ist, sollte unser Schlafzimmer in Hechelscheid tabu für dich
und Maria sein, ja?«
»O Gott, Conny, was denkst du von mir? Du verstehst mich völlig falsch.«
»Möglich.« Dann drehte ich mich wieder um und ging, so gradlinig und sicher, wie es mir möglich war, davon.
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Kapitel 7
»Du fühlst dich schuldig?«
Ich war von der Oppenhoffallee direkt zum Neumarkt, zu meiner Praxis gegangen. Dort wühlte ich zehn Minuten erfolglos in alten
Akten, fand Sonjas nicht. Das mochte daran liegen, dass ich mit den Gedanken ganz woanders war. Ich fühlte mich elend, wollte
mich am liebsten verkriechen oder irgendwem meine Wut, meine Ohnmacht und meine Verzweiflung entgegenschleudern. Martin! Doch
Martin war nicht da. Und zu ihm zu gehen brachte ich nicht fertig.
Also ging ich zu Miriam Nebel. Obwohl Samstag war, traf ich sie zuhause an. Ich hatte zwar überlegt, sie vorher anzurufen,
dies aber verworfen.
Miriam wohnte in einer großzügigen Wohnung in der Nähe des Theaters. Die Wohnung hatte ihrem zweiten Mann gehört. Dem Zweiten
von inzwischen Dreien. Mit keinem der Ehemänner lebte sie noch zusammen. Mit Mitte fünfzig hatte sie feste Beziehungen aufgegeben.
Es hielte ja doch niemand |56| mit ihr aus, sagte sie kämpferisch. Ich war solange davon überzeugt, bis der Nächste auftauchen würde.
Miriam Nebel kam aus einer multikulturellen Familie. »Wir sprechen acht Sprachen gleichzeitig«, sagte sie immer lachend, »aber
keine korrekt.« Ihr Vater war Jude und Geschäftsmann, ihre Mutter kam vom Balkan. Wenn sie schimpfte oder tobte, maß sie ihre
Wut immer daran, wie weit man ihr Geschrei würde hören können. Bis Italien war eher harmlos, bis nach Haifa die äußerste Grenze.
Vor Jahren war sie meine Mentorin gewesen und dann zu meiner Freundin geworden. Nun hatte sie auch den Part der Therapeutin
übernommen.
»Du fühlst dich schuldig, Conny?« Miriam reichte mir ein großes Glas Rotwein. »Das ist ein Roche Mazet, ein südfranzösischer
Landwein. Eigentlich ein ganz einfacher Wein, aber er hat ein herrliches Bouquet. Absolut überraschend. Ich habe ihn aus meinem
letzten Urlaub mitgebracht. Leider nur zwei Kartons.«
»Machen wir jetzt eine Degustation?«, fragte ich und lächelte müde. »Möchtest du mir einen Vortrag über Landweine halten?«
»Darin wäre ich zumindest fit.« Sie ging zurück in die Küche, kam mit Brot, Käse und Oliven zurück, ließ sich in den Sessel
fallen und seufzte. »Er hat sie also gevögelt, und du hast ein schlechtes Gewissen. Glückwunsch, Martin, gut gemacht.«
»Ich habe ihn im Stich gelassen, habe mich mit mir beschäftigt, war verschlossen. Mit Maria konnte er reden.«
»Ja, klar, Conny. Er konnte mit ihr reden. Aber muss er deshalb mit ihr ins Bett gehen? Sie vögeln? Noch dazu in eurem Haus?
Und du liegst nebenan? Ich bitte dich, wo ist dein Verstand geblieben, weit kann er nicht sein. Sollen wir ihn suchen gehen?«
»Vögeln klingt so hässlich.« Ich vergrub das Gesicht in den Händen.
»Wäre es dir lieber, wenn ich sagte: Er hat sie geliebt? Geherzelt? |57| Es gibt Tausende Ausdrücke dafür, manch einer trifft besser, der andere weniger. Martin hat Maria gebumst, gevögelt, gefickt.
Welches Wort willst du hören?«
Ich trank einen großen Schluck Wein. »Ach, Miriam.«
»Das ist ein wahrer Schlamassel. Aber es ist Nebbich, sich im Gram zu vergraben, Herzchen.«
»Was würdest du tun?« Ich sah sie zaghaft an.
Miriam warf den Kopf zurück und lachte. »Was möchtest du tun?«
»Am liebsten würde ich Maria den Hals umdrehen«, gestand ich.
»Maria?«
»Ja, sicher, wem sonst?«
»Martin vielleicht? Was ist dir Maria an Loyalität schuldig? Was hättest du in ihrer Situation gemacht? Eine Präambel zu den
Rechten der Erstfrau verfasst oder deine Chance genutzt?«
Die Tränen ließen sich nun nicht mehr zurückhalten. »Ich bin selbst schuld, Miriam. Ich habe Martin weggestoßen.«
»Das hast
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