Lohn des Todes
und vertraute mir.
Das war merkwürdig, denn ansonsten schien sie niemandem zu vertrauen und witterte hinter allem ein Komplott. Ihre Ängste,
die sie mir schließlich unter Tränen gestand, waren nicht wirklich greifbar für mich. Ihre Mutter, an der sie sehr gehangen
hatte, war wenige Wochen zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sonja hielt es für keinen Unfall, sondern für Mord.
Und sie war sich sicher, dass der Anschlag eigentlich ihr gegolten hatte.
Ich holte tief Luft, als mir diese Details nun wieder bewusst wurden, und lehnte mich zurück. Fünf Jahre danach war Sonja
wirklich ermordet worden. Sollten ihre Ängste von einer tatsächlichen Bedrohung ausgelöst worden sein? War es keine schizophrene
Erscheinung, kein Krankheitsbild, sondern eine echte Gefahr, die sie so verwirrt und geängstigt hatte? War der Mörder ihr
schon damals auf den Fersen gewesen? Das konnte nicht sein, das schien mir zu absurd. Und doch war sie nun tot, bestialisch
gemordet, gefoltert. Ihre Ängste waren wahr geworden.
Wie in Trance griff ich nach meinem Handy, wählte die Nummer von Robert Kemper, die er mir aufgedrängt hatte, bevor ich gefahren
war.
|63| »Kemper?« Seine Stimme klang kühl, fragend. Natürlich, er kannte ja meine Nummer nicht.
»Conny hier. Ich habe Sonjas Akten gefunden.«
Er schwieg, schien zu überlegen.
»Constanze van Aken. Die Kinderpsychiaterin«, erklärte ich etwas atemlos. »Es geht um das zweite Opfer des Serientäters, Sonja
Kluge. Sie war meine Patientin.«
»Du hast dir ihre Akte angesehen?«
»Ja, und mir ist so einiges eingefallen. Sonja hat damals ihre Mutter verloren. Also vor fünf Jahren … es ist etwas kompliziert.«
Ich schluckte. »Sie meinte, ihre Mutter sei ermordet worden und der Anschlag hätte eigentlich ihr gegolten.«
»Bitte was?«
»Sie fühlte sich verfolgt, hatte Angst.«
»Conny, weißt du das ganz sicher?«
»Ja.«
Wir schwiegen beide. Dann brach er das Schweigen. »Bist du dabei? Beim Team? Vielleicht hatte sie ja tatsächlich damals schon
Kontakt zum Täter.«
Ich überlegte fieberhaft. Beim Team dabei sein bedeutete, wieder in die Eifel zu fahren, Martin und Maria zu begegnen. Ich
war mir nicht sicher, ob ich das schaffte.
»Willst du kämpfen?«, fragte Miriams Stimme in meinem Kopf. »Dann kämpfe.«
»Ja, ich denke schon. Ich bin dabei.«
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Kapitel 8
Natürlich hatte ich nicht bedacht, dass mein Wagen noch in der Eifel stand. Robert Kemper beschloss, mich abzuholen.
»Es ist mindestens eine Stunde Fahrt, zurück nach Hechelscheid vermutlich mehr. Samstagabend …«, gab ich zu bedenken.
|64| »Kein Problem, das gibt mir ein wenig Zeit nachzudenken.«
Ich packte die Akte ein, nahm den Hund und ging langsam durch das Frankenberger Viertel zurück zur Oppenhoffallee. Bei meinem
Lieblingstürken kaufte ich schnell noch etwas Obst und Gemüse ein.
Fahrig wartete ich am Fenster. Es war viel zu früh, so schnell konnte Robert gar nicht hier sein. Ich versuchte alle Gedanken
an Martin zu verdrängen, und doch fragte ich mich, ob er sauer sein würde, wenn ich wieder in der Eifel auftauchte. Schließlich
hatte er um Zeit gebeten, um eine Entscheidung zu treffen.
Machte ich das Richtige, oder war dies ein riesiger Fehler? Aber es ging ja nicht um mich, versuchte ich mich zu beruhigen,
sondern um eine Mordserie.
Charlie spürte meine Unruhe, er stupste mich mehrfach mit der Schnauze an, leckte meine Hand. Ich schickte ihn auf seine Decke.
Konnte ich der OFA wirklich helfen? Gerade als ich beschlossen hatte, doch in Aachen zu bleiben und mich zu einem Volltrottel
ernennen wollte, schellte es. Ich drückte den Türöffner, lehnte meinen Kopf gegen die Tür, atmete tief durch, dann öffnete
ich, zog ein Lächeln über mein Gesicht. Robert Kemper begrüßte mich flüchtig, er schien genauso in Gedanken zu sein wie ich.
Ohne große Worte packten wir meine Sachen und den Hund in seinen Wagen und fuhren los. Bis nach Kornilimünster brauchten wir
gut eine Dreiviertelstunde, die Straßen waren dicht vom Wochenendverkehr, und eine Baustelle tat das Übrige.
Als wir den malerischen Ort erreichten, schloss ich die Augen und seufzte leise. Hoffentlich hat er das nicht gehört, dachte
ich, von mir entsetzt.
»Das ist nicht einfach für dich, Conny.« Roberts Stimme klang leise und dunkel. Er schluckte. »Ich bewundere dich, dass du
es trotzdem tust.«
»Bitte?«
|65| »Nun ja, es ist sicher nicht
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