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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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spürte, dass ich rot wurde.
    »Aber er war ja schon Montag nicht mehr erreichbar.« Wieder schüttelte Thorsten den Kopf. »Das passt alles nicht zusammen.«
    »Ich habe am Samstag mit ihm gesprochen«, sagte ich leise.
    »Was?«
    »Ich habe ihn angerufen, wollte mit ihm reden. Ich wollte wissen, ob sich Sonja in der letzten Zeit bedroht gefühlt hat. Ob
     sie mit ihm darüber gesprochen hatte.«
    »Du hast ihn angerufen? Am Samstag?« Robert sah mich verwundert an.
    »Ja, mir war eingefallen, dass sich Sonja nach dem Tod ihrer Mutter bedroht gefühlt hatte. Ob das psychotisch war oder ob
     sie wirklich Gründe dafür hatte, konnte ich nicht herausfinden. Sie nahm ja ihre Termine nicht mehr wahr. Aber möglicherweise
     hatte bei ihr das Gefühl nachgelassen, dass sie verfolgt wird. Wenn sie jedoch in der letzten Zeit wieder meinte, verfolgt
     zu werden und es ihrem Vater gesagt hatte, wäre das ein Zeichen dafür gewesen, dass der Täter sie beobachtet hat.«
    |166| »Was genau hast du ihn gefragt?«
    »Eigentlich nur, ob Sonja Sorge geäußert hätte.«
    »Was hat er geantwortet?«
    »Er ist nicht auf die Frage eingegangen. Er hätte keine Zeit, würde mich zurückrufen, was er allerdings bis heute nicht getan
     hat.«
    »Klang er krank?«
    »Eher nicht, würde ich sagen. Erst schien er genervt, dann hat er mich abgewimmelt.«
    »Durch deinen Anruf könnte er gewarnt worden sein«, meinte Thorsten.
    »So ein Quatsch, er weiß doch nicht, dass sie bei der OFA mitarbeitet. Und außerdem wussten wir da doch noch nichts von der
     DNS.«
    »Nein, aber er stand plötzlich wieder im Fokus der Aufmerksamkeit. Ich meine, er ist ein Killer, er wird nicht so denken wie
     wir. Meinst du nicht, dass er Sorge hat, überführt zu werden?«
    Ich stöhnte leise. »Er weiß, dass ich bei der OFA mitarbeite.«
    »Woher?«
    »Ich habe es ihm gesagt. Er fragte mich, ob ich bei der Polizei sei.« Ich dachte nach. »Und als ich ihm sagte, dass ich mit
     euch zusammenarbeite, wurde er aufmerksam. Aber er beendete dann ziemlich schnell das Gespräch.«
    Robert sog zischend die Luft ein. »Dann ist er vielleicht schon am Samstag oder Sonntag geflohen. Dadurch hat er natürlich
     einen riesigen Vorsprung. Er kann ja inzwischen sonst wo sein.« Robert nahm sein Handy, tippte eine Nummer.
    »Psychopathen verhalten sich nicht anders als wir, Thorsten. Sie wirken völlig gesund, funktionieren im Alltag wie wir auch.
     Sie sind nicht geisteskrank, nur sehr gefährlich.«
    »Wie wir auch? Mit Ausnahme der grausamen Taten, die sie vollbringen.« Thorsten kniff die Augen zusammen.
    »Ja, natürlich. Nur dass es für sie keine grausamen Taten sind, sondern nur die Umsetzungen ihrer Fantasien. Es ist so, als
     wenn du Hunger hättest und dir deshalb ein Brot schmierst. |167| Eine logische Folge. Und der Psychopath will morden, also tut er es. Er erkennt es nicht als Fehler, als Verbrechen.« Ich
     rieb mir über die Stirn. »Verdammt, hätte ich ihn doch nie angerufen. Wenn Rainer Kluge der Täter ist, wovon wir ja ausgehen
     müssen, dann hat er vielleicht auch seine Frau umgebracht. Sonja wusste das, konnte es aber nicht aussprechen. Konnte ihn
     als Täter nicht benennen. Vielleicht hat sie es auch verdrängt, aber die Ängste blieben natürlich. Sie war für ihn eine tickende
     Zeitbombe. Möglicherweise hat sie den Mord an Mueskens beobachtet oder gesehen, wie ihr Vater den alten Mann quält und bestraft.«
     Ich stockte. Ich hatte meine Gedanken einfach so ausgesprochen, doch nun wurde mir etwas klar: Mueskens Wunden deuteten tatsächlich
     auf eine Bestrafung hin. Schläge auf das Gesäß, die Finger. Aber so bestrafte man früher Kinder und nicht alte Leute.
    »Sie hat das mitbekommen und musste deshalb sterben?«
    »Ja, und er hat sie langsam ausbluten lassen. Sie musste wortwörtlich dafür bluten, dass sie etwas wusste.« Mich schauderte
     es. »Die Wunden sprechen eine Sprache, sie sagen aus, was der Täter empfunden hat. Sind die ausgelebten psychischen Motive
     seiner Tat.«
    Robert stand auf, ging in den Flur. Ich hörte ihn leise telefonieren. Schließlich kehrte er zurück, setzte sich wieder. »Die
     Wohnung von Kluge wurde bisher nur observiert. Aber der Staatsanwalt hat nun eine Durchsuchung angeordnet. Die Konten des
     Mannes werden überprüft, seine Handyverbindungen auch. Das kann allerdings dauern. Vor morgen Abend haben wir da vermutlich
     kein Ergebnis.« Er rieb sich über das Kinn. »Es kann natürlich sein, dass er

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