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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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habe ich nur einmal kurz mit ihm gesprochen, ihn aber nicht gesehen. Es
     hat mich verwundert, dass er Sonja so schnell alleine gelassen hat. Das passte nicht zu meinem Bild von ihm. Aber wohlmöglich
     habe ich ihn von Anfang an falsch eingeschätzt.« Ein Gedanke kam mir plötzlich. »Ach herrje.«
    »Was?«
    »Sonja kam im Kindesalter in die Psychiatrie. Sie hatte Ängste, Phobien. Vielleicht hat sie ja als Kind Dinge mitbekommen,
     die sie verängstigt haben. Natürlich wurde das familiäre |173| Umfeld überprüft, aber beide Eltern waren hilfsbereit und offen – so erschien es uns. Möglicherweise war das geschickt vorgetäuscht,
     so dass wir gar nicht hinter den wirklichen Grund kamen.«
    »Du meinst, er hat schon gemordet, als Sonja noch ein Kind war?«
    »Keine Ahnung, vielleicht hat er nur gequält – war in der SM-Szene tätig, und sie hat es mitbekommen. Oder er hat sie missbraucht.
     Kinder zu missbrauchen hat oft auch mit Macht zu tun.«
    »Das kann man vermutlich nicht mehr herausfinden, oder? Gibt es einen ärztlichen Bericht über sie aus der Zeit?«
    »Bestimmt. Im Alexianer. Ich kann versuchen, das herauszufinden, aber das hilft uns doch auch nicht mehr weiter.«
    »Doch natürlich. Je mehr Details wir über den Täter haben, auch wie er begonnen hat, um so besser. Dafür ist die OFA ja da.
     Es könnte für künftige Fälle wichtig sein.«
    Ich nickte, nahm mir noch einen Kaffee.
    »Als ich hereinkam, hast du telefoniert. Ich wollte nicht lauschen, aber du hast mit deiner Mutter gesprochen, oder?«, fragte
     Robert leise. »Geht es ihr besser?«
    »Ja, sie ist wieder zu Hause. Allerdings macht sie sich Gedanken um meine Schwester.« Ich verdrehte die Augen.
    »Du hast eine Schwester?«
    »Leider.« Ich lachte leise. »Rita ist ein paar Jahre jünger als ich und das komplette Gegenteil von mir. Unbeständig, immer
     auf Achse, wild, aufbrausend, sehr spontan.« Erst jetzt fiel mir auf, dass die Begriffe, die ich genannt hatte, nicht alle
     negativ besetzt waren. Irgendwo tief in mir beneidete ich Rita. Sie aß das Leben mit vollen Löffeln, ließ nichts aus. Ich
     dagegen ging meinen Weg, wich weder nach links noch nach rechts. War ich langweilig? War das ein Grund für Martin, sich der
     jüngeren und lebhafteren Maria zuzuwenden? Darauf hatte ich keine Antwort.
    »Klingt nach einem Wildspund«, sagte Robert. »Warum macht sich deine Mutter Sorgen?«
    |174| Ich erzählte ihm von der verwirrenden Geschichte mit dem Autodiebstahl.
    »Soll ich mich darum kümmern? Ich könnte die Kollegen anrufen, und herausfinden, was da passiert ist.«
    »Wenn du dadurch meine Mutter beruhigen kannst, wäre das zauberhaft.« Ich lächelte. »Aber nur, wenn es nicht zu viel Mühe
     ist.«
    »Ein, maximal zwei Anrufe, Conny. Das schaffe ich schon.« Er stand auf, ging an mir vorbei, legte mir kurz die Hand auf die
     Schulter.
    Ich mochte Robert, er hatte etwas, was mir Vertrauen einflößte, eine sichere Art des Umgangs.
    »Heilige Scheiße!« Thorsten erschien mit verstrubbelten Haaren, zerknittertem Gesicht, in Boxershorts und T-Shirt im Esszimmer.
     Er hielt sein Handy in der Hand. »Conny, ist das Fax angeschlossen?«
    Ich stand auf und überprüfte das Gerät. Es war nicht eingeschaltet, ich drückte die Taste, sofort ratterte es los.
    »Was kommt da an?«, fragte ich und schluckte.
    »Eine Tote. Vor zwei Jahren in Rheinland-Pfalz. Die Täter-DNS stimmt überein«, sagte Thorsten atemlos.
    »Was?« Wenn das stimmte, würde sich die Lücke zwischen den Morden allmählich schließen. Wie viele Menschen hatte Kluge noch
     umgebracht? Ich trat von der Anrichte zurück, auf der das Fax-Gerät stand, fürchtete mich plötzlich vor einem weiteren grausamen
     Bericht, ein weiteres gequältes Opfer. Seite um Seite quoll aus dem Gerät, bis der Druck plötzlich abrupt endete. Die Anzeige
     blinkte hektisch, es war kein Papier mehr da.
    »Conny?« Thorsten sah mich entsetzt an. »Papier?«
    Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Martin hatte das Gerät aus Aachen hergeholt. Dann drehte ich mich um, eilte die Treppe
     empor.
    »Martin?« Er schlief noch. Lag auf der Seite, die eine Hand unter seiner Wange, die andere am Kinn. Er sah so friedlich aus,
     wie ein schlafendes Kind. »Martin, wach auf!« Ich rüttelte an seiner Schulter. »Hast du noch Papier für das Fax-Gerät?«
    |175| »Was?« Er schreckte hoch.
    »Das Fax. Wir brauchen Papier.«
    »Fax? Papier?« Er schaute mich verwirrt. »Haben wir kein Papier

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