Lohn des Todes
gesagt? So dringend ist die Datenbank ja nun auch nicht.« Er trat einen Schritt auf mich zu, legte
mir die Hand auf die Schulter. Ich roch sein Aftershave, spürte seine Wärme und seine Zuneigung. Einen Augenblick zögerte
ich, dann lehnte ich mich an ihn, ließ mich von ihm festhalten.
»Sven, mein Patient, ist heute Morgen gestorben«, flüsterte ich.
»Verdammt. Das ist grausam.« Robert hielt mich.
Für einen Moment standen wir da, hielten uns fest. Dann wich ich zurück, putzte mir die Nase.
»Komm.« Robert führte mich ins Wohnzimmer. »Setz dich.«
Dann ging er zurück, kam mit einer Schachtel wieder und stellte sie auf den Couchtisch.
»Ich habe italienische Vorspeisen mitgebracht und frisches Brot. Tee hast du ja schon. Magst du reden?«
Ich weinte leise, erzählte ihm ein wenig von Sven, weinte wieder. Es tat gut, darüber zu sprechen. Mir fielen auch viele schöne
Dinge ein, die ich gemeinsam mit dem Jungen erlebt hatte. Nach einer Weile lehnte ich mich erschöpft zurück. Robert hatte
mir zugehört, meine Hand gehalten und mir Taschentücher gereicht. Es war das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass er mich
tröstete.
»Ich hoffe, es wird nicht zur Gewohnheit werden, dass ich mich bei dir ausheule.« Ich versuchte ein Lächeln.
»Das hoffe ich auch. Nicht, dass ich dich nicht trösten |159| würde, aber die Anlässe sind grausig. Das sollte dir erspart bleiben. Ruh dich aus«, sagte er leise.
Er schürte das Feuer im Ofen, gab mir eine Decke. Ich fühlte mich zu leer, zu erschöpft, um in mein Schlafzimmer zu gehen.
Der Regen tropfte beständig von der Dachtraufe, rauschte und gluckerte in den Fallrohren. Über diese Geräusche schlief ich
ein.
Ich wurde wieder wach, als ein Wagen auf den Hof fuhr. Robert saß neben mir auf dem Sessel und las in einer Akte. Auch er
hatte wohl das Auto gehört und hob nun lauschend den Kopf. Der Regen hatte nachgelassen. Jemand schloss die Haustür auf. Für
einen irrwitzigen Augenblick lang dachte ich, dass der Irre wiedergekommen wäre.
»Hallo?« Es war Martin. Er kam ins Wohnzimmer. »Was für eine kuschelige Szene. Ich dachte, wir arbeiten?«
Ich setzte mich langsam auf, rieb mir über das Gesicht. Martin sah mich prüfend an, setzte sich dann neben mich und nahm mich
in den Arm.
»Hast du geschlafen?«
Ich nickte stumm.
»Gut, das hattest du sicher bitter nötig.« Er schnaufte. »Was für eine beschissene Woche.« Dann küsste er mich zart.
Robert stand auf. »Ich geh mal mit dem Hund, wenn ich darf. Der Regen hat nachgelassen, und ein wenig frische Luft wird mir
guttun.«
Er sah mich nur kurz an, bevor er hinausging, sein Blick wirkte seltsam traurig.
Ich kuschelte mich in Martins Arm, holte tief Luft. Es fühlte sich so vertraut, so richtig an. Trotzdem war mir klar, dass
wir an unserer Beziehung würden arbeiten müssen. Er beugte sich zu mir, küsste mich wieder. Ich strich über seine Wange.
»Was hast du da?« Ich schob ihn von mir, sah einen blutigen Kratzer, der mir vorher nicht aufgefallen war.
»Nun ja, die Worte: ›Tut mir leid, es ist vorbei‹ sind nicht mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Sie hat einen |160| schönen Ring am Finger, mit einem scharfen Stein.« Er befingerte die Wunde, zuckte dann mit den Schultern. »Vermutlich habe
ich es verdient.«
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Kapitel 18
Robert kehrte zurück, brachte einen Schwall nasskalter Luft mit sich. Er schüttelte sich, genau wie Charlie, kleine Tropfen
flogen durch den Raum, glitzerten im Schein des Feuers.
»Gibt es etwas Neues?«, fragte Robert Martin, während er sich eine Tasse Tee einschenkte.
»Die letzten Untersuchungen laufen noch. Um wirklich Gewissheit zu haben, wird es ein paar Tage dauern.«
»Ich bin noch gar nicht auf dem neusten Stand der Dinge«, sagte ich leise.
»Also, Maria hat zufällig ein paar Ergebnisse überprüft und ist da auf etwas gestoßen, was ihr seltsam vorkam.«
Maria, obwohl er den Namen sachlich aussprach, zuckte ich zusammen.
»Sie hat es überprüft und ich auch. Zuerst dachte ich, ein paar Proben wären falsch beschriftet gewesen. Aber als ich die
DNS mit der der anderen Fälle verglichen hatte, stand fest, dass der Täter mit Sonja Kluge verwandt sein muss. Ganz genau
können wir noch nicht sagen, wie weit die Übereinstimmung geht – es kann auch ein Onkel oder Cousin sein, aber sicher ist,
dass es eine Verwandtschaft gibt. Leider arbeiten reale Labors nicht so schnell wie die im Fernsehen.
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