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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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dachte ich, natürlich. Vater kümmerte sich um alles, bezahlte alles. Rita hatte es wirklich gut. Und doch konnte ich
     die Sorge in der Stimme meiner Mutter erkennen.
    »Ich versuche sie zu erreichen und frage jemanden von der Polizei, was genau passiert ist, ja? Wie geht es dir?«
    »Das ist lieb, Schatz. Bis auf Kopfschmerzen geht es mir gut. Aber es wird jeden Tag besser. Wenn sich jetzt Rita melden würde
     …«
    »Ich kümmere mich darum, Mutti, mach dir keine Gedanken und ruh dich aus.« Seufzend verabschiedete ich mich.
    »Wie geht es deiner Mutter?« Robert setzte sich zu mir an den Tisch. Er sah übernächtigt aus.
    »Hast du geschlafen?«
    »Wenig.« Er massierte sich den Nasenrücken. Sein Gesicht war bleich, der Bartschatten machte es noch blasser.
    »Kaffee?«
    Er nickte dankbar, nahm die Tasse und hielt sein Gesicht in den Dampf. Das machte ich auch oft, wenn ich sehr müde war.
    »Gibt es etwas Neues?«
    »Nichts. Immer noch ist Rainer Kluge verschwunden, keine Spur bisher. In seiner Wohnung haben wir auch nichts Bedeutendes
     gefunden.«
    »Keine Münzen?«
    |171| »Bisher nicht. Sein Wagen steht in der Garage, das ist merkwürdig.«
    »Er hat sich vielleicht ein Taxi genommen.«
    »Das wird überprüft.« Robert rieb sich mit den Händen über das Gesicht, sah mich dann müde an. »Ich kenne dieses Stadium von
     vielen anderen Fällen – kurz vor dem entscheidenden Zugriff scheint die Zeit langsamer zu verlaufen und alles zu stagnieren.
     Dabei rotieren die Räder, überall wird ermittelt. Ein Puzzlestück fügt sich in das nächste, und allmählich entsteht ein Bild.
     Hältst du es immer noch für unwahrscheinlich, dass er der Täter ist?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, es spricht zu viel dafür und eine Menge gegen ihn. Wenn wir das Motiv kennen, wird sich mir
     auch erschließen, warum er das getan hat. Tatsächlich könnte es sein, dass Frau Hoffmann und Herrn Mueskens etwas mit Kluge
     verbindet, etwas, wofür er sie bestrafen wollte. Vielleicht hat es mit dem Tod seiner Frau begonnen, vielleicht aber hatte
     Sonja recht, und er hat den Wagen manipuliert und sie in gewisser Weise auch getötet.« Ich kniff die Augen zusammen. »Möglicherweise
     wusste seine Frau, was er plante. Der Mord an Frau Hoffmann war noch dilettantisch, der an Mueskens viel ausgeklügelter. Sonja
     ist nur das i-Tüpfelchen. Sie hat es gespürt, vielleicht gewusst, was ihr Vater tat. Sie wurde plötzlich zur Bedrohung, hat
     eventuell verraten, dass sie etwas weiß. Er tötet sie nach dem gleichen Muster, allerdings variiert er mit den Details. Der
     Mord an Sonja kam im Prinzip zu schnell, zu kurz hinter dem anderen.«
    »Vielleicht hat er sein Tempo erhöht.«
    »Oder der Mord an seiner Tochter war der Schlusspunkt.«
    »Glaubst du das?«, fragte Robert nachdenklich.
    Ich überlegte, schüttelte dann den Kopf. »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er seine Opfer zu lange quält, es sind zu viele prägnante Entscheidungen des Täters – die Gefangenschaft, die Verletzungen,
     die Vergewaltigungen. Er mordet nicht nur aus Rache, sondern auch, weil er sich daran befriedigt.«
    |172| »Sexuell?«
    »Nein, Robert. Natürlich vergewaltigt er sie, aber der Trieb ist eher Macht.«
    »Was lässt dich da so sicher sein?«
    »Wenn er sie nur vergewaltigen und töten wollte, dann würde er schneller handeln und sie nicht noch verhungern und verdursten
     lassen. Er übt massive Macht aus über ihr Leben, entscheidet, wann er es beendet. Er befriedigt sich an ihrer Qual und Angst.
     Nicht an dem Sex. Das ist nur ein weiterer Punkt, um sich ihnen überlegen zu zeigen. Und damit kann er auch nicht plötzlich
     aufhören. Er hat sich eingearbeitet, hat sich verbessert. Nicht er wird durch das Blut der Opfer besudelt, sondern der Täter
     besudelt die Opfer. Durch Sperma, Kot, ihr Blut, die Qual. Er wird wieder morden müssen, um dieses Gefühl zu erhalten.«
    »Wann?«
    »Möglicherweise kann er eine ganze Weile von seinen Erlebnissen und Gefühlen zehren. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht
     ist nun der Drang in ihm, so schnell wie möglich wieder dasselbe zu spüren.«
    »Du hast ihn kennengelernt, was meinst du?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. »Es ist schwierig, wenn man jemanden unter einer bestimmten Prämisse kennenlernt und ihn
     dann unter einer ganz anderen beurteilen soll. Ich habe ihn als sich sorgenden Vater erlebt. Ein krankes Kind, um das er besorgt
     war, dem er helfen wollte. Nach dem Tod seiner Frau

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