Lohse, Eckart
langgeht.
Die meisten Reden, die der
Verteidigungsminister in seinem ersten Amtsjahr hält, gelten dem großen Thema
Reform der Bundeswehr nebst Abschaffung der Wehrpflicht. Das ist naheliegend,
ja zwingend, weil er vor allem die eigenen Unionsreihen von seinen Plänen
überzeugen muss, was für seine Zuhörer die Abkehr von einer Art politischem
Heiligtum bedeutet. Diese Reden hat Guttenberg schnell in eine rundum
einsatzfähige Form gebracht, die kann er mühelos präsentieren, ohne sich allzu
sehr anstrengen zu müssen. Gern würzt er sie mit einem Scherz über seine
gegelten Haare oder die Missgeschicke der politischen Konkurrenz.
Wenn der Verteidigungsminister
aber diesen sicheren Boden verlässt, kann es mit der inhaltlichen Trittfestigkeit
schnell vorbei sein. Ende November 2010 spricht er
im noblen Berliner Hotel Adlon auf einer Konferenz der »Süddeutschen Zeitung«
vor Wirtschaftsfachleuten, unter denen sich einige hochrangige Manager
befinden. Mit Blick auf seine Monate im Wirtschaftsministerium scherzt er zu
Beginn, er freue sich, als »fleischgewordene wirtschaftspolitische Altlast«
eingeladen worden zu sein. So etwas kommt gut an. Dann reiht er eine halbe
Stunde Gemeinplätze aneinander - zur Bedeutung der Energieversorgung, des
Klimawandels und der Sicherheit der Meere. Garniert wird alles mit dem ein oder
anderen weiteren Witzchen und einigen Empörungsformeln. Guttenberg dringt an
keiner Stelle wirklich tief ein, begnügt sich mit Leerformeln. Aber er hat
eine halbe Stunde Präsenz gezeigt und kann dann sofort wieder wegrauschen.
Es gab in der jüngeren
Vergangenheit in der deutschen Spitzenpolitik brillantere Redner als
Karl-Theodor zu Guttenberg. Aber sie hatten alle schwerwiegende Nachteile.
Oskar Lafontaine konnte einen Saal mitreißen wie kaum jemand sonst, redete sich 1995 gar an die Spitze der SPD. Doch er rutschte schnell
ab ins Demagogische, schon zu Zeiten, als er noch bei der SPD war,
anschließend, als er immer weiter nach links driftete, umso mehr. Joschka
Fischer konnte sein Publikum ebenfalls begeistern, führte seine aus der
Friedensbewegung kommende Partei sogar in den Kosovokrieg, überwiegend durch
die Kunst der Rede. Aber er wurde das Belehrende, gelegentlich Arrogante des
von sich überzeugten Welterklärers nicht los. Guido Westerwelle hielt als
Oppositionspolitiker vor der FDP, aber auch im Bundestag durchaus amüsante,
bisweilen mitreißende Reden. Doch seit dem Moment, da er
Regierungsverantwortung als Außenminister übernommen hat, ist ihm die Kraft des
Wortes über weite Strecken abhandengekommen.
Guttenbergs Reden sind anders. Sie
sind schnell, aber nicht überdreht. Die Rhetorik ist solide, bisweilen witzig,
aber doch kaum je verletzend. Auf seinem Fachgebiet liefert er für alle
verständliche Fakten, doch überfordert er seine Zuhörer nicht mit
Tiefenbohrungen, die keiner versteht und die beim Publikum den Eindruck
eigener Unzulänglichkeit hinterlassen. Da ist für den Akademiker und den
Intellektuellen genauso etwas dabei wie für diejenigen, die ihr Wissen über
Guttenberg und seine Frau aus den Artikeln in Klatschblättern ziehen, wo sie
zwischen den Geschichten über Thomas Gottschalk und Florian Silbereisen
stehen. Seine Neigung, mitunter kaum verständliche Schachtelsätze zu
konstruieren, hat er merklich reduziert.
Kurzum: Guttenbergs Reden sind
massentauglich. So wie seine Auftritte in Talkshows oder die Teilnahme seiner
Frau an der Ratesendung von Günther Jauch »Wer wird Millionär ...?«. Wie
keiner sonst erreicht der Aristokrat aus der Kleine-Leute-Partei CSU das ganze
Volk.
Der
Anti-Politiker
In den gerade mal zwei Jahren, die
er Minister ist, hat Guttenberg sein Gefühl für das Volk noch nicht getrogen.
Und der Mann mit dem jahrhundertealten Stammbaum ist sich seines direkten
Drahts zu den Massen bewusst. Er pflegt ihn, minutiös. In Afghanistan trifft
er vor allem die Truppe, weniger die dortigen Politiker. Besucht er eine
Kaserne, spricht er viel mit den Soldaten und schießt dabei gern eine kleine
Spitze gegen die Vorgesetzten ab. Hält er seine Reden, sei es außerhalb Berlins
oder in der Hauptstadt, so tut er so, als gehöre er nicht in den Kreis der
politischen Führung des Landes. Immer wieder spottet er über den Berliner
Betrieb, profiliert sich auf Kosten der anderen Politiker. Die Botschaft ist
eindeutig: Ich bin keiner von denen, die da oben, fern vom Volk, regieren, ich
bin einer von euch. Deutschlands beliebtester
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