Lohse, Eckart
engagiert. Sie wollen wissen, was die Aussetzung der
Wehrpflicht für ihre Kommunen bedeutet, woher sie demnächst die Zivildienstleistenden
für ihre Altenheime und Behindertenzentren bekommen werden, was mit den
Kreiswehrersatzämtern geschehen wird und ob auch der Bundeswehrstandort in
ihrer Region dem Guttenberg'schen Spardiktat zum Opfer fallen wird. Der Empfang
für den Minister ist daher verhalten, auch wenn sein Erscheinen per
Lautsprecher etwas effekthascherisch angekündigt wird: »Begrüßen Sie mit uns
den Bundesminister der Verteidigung ...«
Die Kommunalpolitiker pflegen den
alten Stil, man will erst einmal sehen und hören. Der Abend ist kein Selbstläufer
für Guttenberg. Das verunsichert den Minister etwas. Ziemlich am Anfang seiner
Rede weist er denn auch darauf hin, dass er ja selber Kreisrat sei. Er kenne
die Probleme der Kommunalpolitik, will er damit sagen. Und immer wieder macht
der Festredner, als der er begrüßt wird, die eine oder andere abfällige
Bemerkung über das hauptstädtische Raumschiff Berlin, in dem es sich so
abgehoben von den wahren Problemen durchs politische All sausen lässt. Dabei
steht er in der Parteizentrale der CDU, im Vereinshaus Angela Merkels sozusagen.
Also muss er doch als Bewohner
dieses Raumschiffes reden, als der Minister, der sich plötzlich etwas Neues
ausgedacht hat. Guttenberg erklärt wortreich die Defizite in der
sicherheitspolitischen Analyse, er spricht davon, dass »der Russ' nicht mehr an
der oberpfälzischen Grenze steht«, auch wenn manche immer noch so täten. Und er
sagt, dass es zuletzt statt Wehrgerechtigkeit nur noch Drückebergerei gegeben
habe. Anders als früher müsse man »nicht mehr Zahnpasta fressen oder den Urin
vom Großonkel mit dem Tauchsieder erwärmen«, um sich die Ausmusterung zu
erschleichen - heute müsse niemand mehr zur Bundeswehr, der nicht wolle, so
leicht lasse sich die Wehrpflicht umgehen. Trotz seiner recht volkstümlichen
Beispiele will der Funke nicht auf die Leute von der kommunalen Front
überspringen.
Erst als Guttenberg nach zwanzig
Minuten den Satz sagt: »Meine Meinung war es immer, dass es noch keinem jungen
Menschen geschadet hat, wenn er sich für diese Gesellschaft engagiert«, bekommt
er den ersten Beifall. Begeisterung sieht anders aus. Guttenberg spürt die
Skepsis. Er legt rhetorisch nach - und überzieht. »Wenn mir einer vor einem
Jahr gesagt hätte: Guttenberg, du musst einmal die Wehrpflicht aussetzen, ich
hätte ihn aus dem Raum getreten.« Hoppla, ein Gewaltmensch? »Sonst bin ich
schon zu höflicheren Formen der Kommunikation fähig«, fügt er rasch hinzu. Am
Schluss der Rede gibt es doch einigen Beifall, Guttenberg lacht jetzt, irgendwie
wirkt er wie ein erleichterter Primaner nach der gelungenen Abi-Rede.
Der Bürgermeister aus Mittenwalde
bei Berlin hellt die Stimmung weiter auf. Er beglückwünscht den Minister zu seinem
Entschluss, »Bonn zu schließen« - vor wenigen Tagen hat die von Guttenberg
eingesetzte Weise-Kommission den Vorschlag gemacht, den Standort der Bundeswehr
auf der Hardthöhe in Bonn einzusparen und die Ministeriumsführung in Berlin zu
konzentrieren. Guttenberg sagt, es gebe ja noch das Bonn-Berlin-Gesetz, das
könne er »nicht einfach von der Bühne treten«, aber er werde sich schon genau
anschauen, wie man das interpretieren könne.
Doch das ist nur ein Randthema an
diesem Abend. Um Fragen muss der Minister hier nicht lange bitten. Eine Kommunalpolitikerin
aus Berlin will wissen, ob denn die Wehrpflicht nicht doch ein Grundwert der
Union sei. Von zwei Kasernen in ihrer Stadt, die in den vergangenen Jahren
schon geschlossen worden seien, berichtet eine Kämmerin aus Celle.
Nun zögen auch noch 5000 Briten ab.
Der Minister solle doch dafür Sorge tragen, dass wenigstens die letzte Kaserne
mit 1200 Mann nicht dichtgemacht werde.
Eine Lehrerin sagt, es müsse darum gehen, den Patriotismus wieder in die Jugend
zu tragen. »Ich denke, das könnte gerade Ihnen gelingen, weil Sie in der Jugend
akzeptiert sind.« Ein Bürgermeister macht sich für eine allgemeine
Dienstpflicht stark. »Wir werden die Feuerwehr sonst nicht mehr bestücken
können«, sagt er.
Mit seinen Antworten macht
Guttenberg an diesem Abend Boden gut. Wieder spielt er den Part des Politikers,
der anders als die anderen bereit ist, die harte, ungeschminkte Wahrheit
auszusprechen. Für die, die das noch nicht verstanden haben, macht er es noch
einmal klar. »Dann muss man eben auch mal von Krieg reden
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