Lohse, Eckart
wahrnimmt, der
funktionieren muss und dem man sich nur dann verärgert zuwendet, wenn mal
etwas nicht gleich wie gewohnt oder wie gewünscht abläuft. Es gibt über ihn
keine Anekdoten, wie sie von anderen Spitzenpolitikern erzählt werden, die mit
Aktenordnern oder Laptops nach Mitarbeitern geworfen haben.
Natürlich zelebriert Guttenberg
diese Höflichkeit. Betritt er das Podium eines Parteitags, so reicht er jedem
der dort sitzenden Politiker die Hand, und seien es 20. Dass dabei
eine kaum geringere Zahl von Kameras läuft, nimmt er gern in Kauf. Es kann
schließlich nicht schaden, wenn jeder sieht, dass er beste Umgangsformen hat.
Doch zelebriert Guttenberg sein
Benehmen nicht nur, er thematisiert es zudem ausgiebig. In kaum einer Rede von
ihm bleibt das aus. Fliegt er unter großem Aufwand an Transport und
Sicherheitsmaßnahmen an die vorderste Kampflinie in Afghanistan und lässt dabei
wirkungsvolle Bilder des unerschrockenen Ministers schießen, so verteidigt er
das später gegen Kritik mit den Worten, »es gehört sich« für einen Verteidigungsminister,
nicht nur vom Schreibtisch aus zu beurteilen, was die Soldaten machten,
sondern das auch im Einsatzgebiet zu erleben. Mit solchen selbstbewussten
Behauptungen lässt sich mancher Unsinn überspielen. Denn die optimal abgesicherten
Stippvisiten des Ministers in Afghanistan haben mit der Einsatzwirklichkeit
des einfachen Soldaten bis hin zum Kampf um das eigene Leben nicht viel zu tun.
Die guten Umgangsformen und die
zur Schau gestellte Pflichterfüllung sind für Karl-Theodor zu Guttenberg eng
verbundene Motive, die ebenso dazu taugen, eine ordentliche Begrüßung zu
begründen wie eine politische Handlung zu erklären. Dahinter steckt die in der
Erziehung weitgehend aus der Mode gekommene Maxime, dieses und jenes »tut man
nicht« - oder eben doch.
Solches Verhalten wirkt
unmittelbar im persönlichen Umgang - mit Parteifreunden, Parlamentariern oder
Soldaten. Es transportiert sich aber auch über Medien. Guttenberg strahlt es
über Reden und Bilder geradezu aus. Die Illustrierten der Regenbogenpresse
präsentieren ja nicht einen Politiker, der den Umbau der Bundeswehr vorantreibt
und darüber nachdenkt, ob das Verteidigungsministerium einen oder zwei beamtete
Staatssekretäre braucht. Nein, es geht um einen Mann, der den Eindruck erweckt,
als wisse er, was gut und was schlecht ist, im Umgang mit Menschen ebenso wie
in der Politik. Die Höflichkeit gehört genauso dazu wie die Parole, dass es
noch keinem jungen Menschen geschadet habe, seinem Vaterland einen Dienst zu
erweisen - wie es die Wehrpflicht schließlich jahrzehntelang vorschrieb.
An dieser Stelle lässt sich
zugleich die Doppelbödigkeit dieser Präsentation aufzeigen. Denn der Mann, der
den Dienst am Vaterland in die Kategorie des guten staatsbürgerlichen Benehmens
einordnet, ist schließlich verantwortlich dafür, dass er abgeschafft wurde,
jedenfalls als Pflicht. Doch kriegt er auch diesen Bogen hin, indem er
anschließend das freiwillige Ableisten eines Dienstes als geboten einfordert
nach dem Motto: Pflicht oder nicht, Hauptsache die Leute wissen, was sich
gehört, und handeln danach. Aus der im Grundgesetz festgeschriebenen Pflicht
wird eine moralische Verpflichtung gemacht.
Auch bei den Umgangsformen gab es
freilich Entgleisungen. Als sich Guttenberg gleich zu Beginn seiner Zeit als
Verteidigungsminister von den beiden wichtigsten Mitarbeitern des
Ministeriums, Staatssekretär Peter Wiehert und Generalinspekteur Wolfgang
Schneiderhan, trennt, da tut er das nicht mit der in der Ministerialbürokratie
üblichen Geräuschlosigkeit, sondern mit einem Paukenschlag vor dem Bundestag
nebst anschließender medialer Schuldzuweisungen in diversen Talkshows. Im
Vergleich zu allem, was andere Minister sich in ähnlichen Situationen geleistet
haben, ist das ein unmögliches Benehmen. Und als Guttenberg im Frühsommer 2010 dem Rest des Kabinetts auf einer
Klausurtagung ankündigt, dass er auf die Wehrpflicht verzichten will, tut er
das nicht etwa mit ruhiger Argumentation, sondern tritt derart offensiv auf,
dass schon bald das Zitat vom »Rumpelstilzchen« die Runde macht.
Wann also gutes Benehmen angesagt
ist oder welches Benehmen als gut zu bewerten ist, das entscheidet Guttenberg
situationsabhängig. Es ist für seinen Erfolg ohnehin gleichgültig. Denn
wahrgenommen wird er als Adliger mit tadellosen bürgerlichen Umgangsformen,
als Muster an Benehmen und Korrektheit. Das nimmt viele Menschen
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