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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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für ihn häufig jede Menge Arbeit. Aber darum ging es ihm nicht. Er sagte immer: › Mit dem Stundenzählen wollen wir gar nicht anfangen. ‹ Sie sehen: Buggi war viel mehr als bloß ein ausgezeichneter Chauffeur. Er hat sich voll eingebracht in seinen Verein.«
    »Dann war er quasi unzertrennlich mit der Mannschaft verbunden?«
    »So kann man es ausdrücken. Die Spieler haben mit ihm mehr Zeit verbracht als mit ihren Ehefrauen. Da bestanden sehr enge Bande.«
    »Der ein oder andere Kicker hat ihm sicher auch mal sein Herz ausgeschüttet, was?«
    »Das ist anzunehmen, ja. Obwohl für solche Dinge eigentlich ich die richtige Ansprechpartnerin bin. Als Spielerberaterin sollte ich die erste Anlaufstelle sein, wenn bei den Jungs mal der Schuh drückt. Im übertragenen Sinn, versteht sich.«
    Manche Dinge besprechen Männer eben lieber unter ihresgleichen, dachte sich Paul. »Ich bin neugierig: Was ist denn Ihre Hauptaufgabe als Beraterin?«
    Sie lächelte und richtete ihren Blick verlegen zu Boden. »Ich bin dafür zuständig, dass den Jungs der Erfolg nicht zu Kopfe steigt.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Sehen Sie, die meisten unserer Spieler durchlaufen in jungen Jahren einen steilen Höhenflug in ihrer Karriere. Sind sie talentiert und ambitioniert, steigen sie binnen einer Saison zu Elitekickern auf. Ruck, zuck bekommen sie Verträge vorgelegt, gehen Verpflichtungen ein und verdienen gutes Geld. Dabei sind viele von ihnen noch Kindsköpfe, bei denen aus dem Spiel über Nacht Emst geworden ist. Ohne eine qualifizierte und faire Beratung gehen diese jungen Kerle mitunter hoffnungslos baden.«
    »Kann ich mir gut vorstellen. Wenn ich einen solchen Traumjob hätte, würde ich auch nicht jeden Euro zweimal umdrehen, bevor ich ihn ausgebe.«
    »Das ist kein Traumjob. Die Jungs müssen wahnsinnig viel Zeit, Willenskraft und Durchhaltevermögen investieren, der Beruf ist mit extrem großen Konkurrenzsituationen verbunden, kurzum: Sie müssen viel einstecken können. Und wenn es mal nicht so läuft, wird es schnell schwierig. Das nagt nämlich sofort am noch fragilen Selbstbewusstsein. Die meisten der jungen Talente unterschätzen die negativen Seiten des Jobs.«
    Paul konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Dafür dürfen sie aber vor 40.000 Leuten Fußball spielen, sich feiern lassen und richtig viel Geld einstreichen.«
    Ivonne Wagner nickte. »Wenn dieser Beruf schön ist, ist er besonders schön. Wenn er hässlich ist, ist er besonders hässlich. Mit diesen Extremen müssen die Jungs klarkommen, und dafür benötigen sie fachgerechte Hilfe.«
    »Sie sind also eine Art Ersatzmami«, fasste Paul etwas forsch zusammen, woraufhin sie sich reckte und auf Abstand ging.
    »Nein, eine Mami bin ich ganz gewiss nicht. Auch keine Seelenklempnerin, falls Sie auf so etwas anspielen. Schon eher eine Finanzberaterin.«
    »Es geht also hauptsächlich um die Honorare und weniger ums Psychologische?«
    »Ja, und das ist kein Geheimnis. Viele meiner Jungs würden ohne eine fürsorgliche Anleitung ihr Geld binnen kürzester Zeit für teure Autos und schöne Frauen verjubeln. So ist es nun mal, da gibt es nichts zu beschönigen. Und weil wir wollen, dass die Spieler von Finanzproblemen ferngehalten werden und sich voll auf den Sport konzentrieren, gibt es meine Stelle hier beim Club.«
    »Alle Achtung«, meinte Paul, »das ist bestimmt nicht immer einfach, einem auftrumpfenden Nachwuchsstar den überstürzten Kauf eines Ferraris auszureden. Und manchmal stoßen Sie ja wohl auf taube Ohren, sonst hätte Dirk Sakowsky nicht so hohe Schulden, wie man hört«, tastete sich Paul an seine eigentliche Absicht heran.
    Ivonne Wagner sah ihn mit abschätzigem Blick an. »Ach was, alles halb so schlimm. Nur weil sich die Boulevardpresse daran aufhängt, dass Dirk den Luxus liebt und ab und zu ins Spielkasino geht, ist er noch lange nicht pleite. Solche Storys sind künstlich aufgeputscht und haben mit der Wirklichkeit wenig zu tun.« Dann erhellte sich ihre Miene. »Aber Sakowsky ist trotzdem ein gutes Stichwort. Mal ganz unter uns: Seine derzeitige Freundin ist das Paradebeispiel einer Spielerbraut, vor der ich meine Jungs gern schützen würde.«
    »Sie sprechen von dieser hübschen Russin. Svetlana heißt sie, glaub ich. Durch und durch unsolide, verschwenderisch, aber ziemlich sexy?«, folgerte Paul.
    »Genau«, bestätigte Ivonne Wagner, der es offenbar ein Bedürfnis war, sich ihre beruflichen Sorgen und Nöte von der Seele zu

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