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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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haben, denn Buggi hat sich immer wieder öffentlich für Fair Play im Stadion ausgesprochen und ist nach Ausschreitungen der Hardcorefans sehr sauer geworden. Da konnte der sanftmütige Buggi richtig bissig werden.«
    Paul besann sich der blauen Flecken, die am Leichnam des Busfahrers festgestellt worden waren: diese hatten zwar gewiss nicht zum Tod geführt, könnten aber – bei genauerer Betrachtung – durchaus auch als Handschrift der brachialen Fans gelesen werden. Er beschloss, dieses Verdachtsmoment im Hinterkopf zu behalten und fragte Rita weiter aus: »Vielleicht steckt noch mehr dahinter?«
    Rita dachte lange nach, schüttelte dann jedoch den Kopf. »Jedenfalls nichts, was mit dem Club oder dem direkten Umfeld zu tun hat. Was Buggi privat getrieben hat, weiß ich nicht. Da müsste man schon mit den Spielern selbst plaudern. Denn ebenso gut wie er die Kicker und ihre Marotten kannte, waren ihnen die seinen bekannt. So viele Stunden, wie die zusammen verbracht haben, müssten die fast alles über Buggi wissen.«
    »Das wäre dann wohl doch übertrieben. Außerdem hätten die FCN-Stars wahrscheinlich weder Zeit noch Lust, sich mit mir zu unterhalten«, wandte Paul ein.
    Rita gab ihm recht, hatte aber bereits eine weitere Idee: »Versuchen Sie es mal bei Ivonne Wagner. Das ist die Spielerberaterin beim FCN. Eine toughe Frau. Die kennt sie auch alle aus dem Effeff, die Spieler und jeden anderen im Umfeld. Der können Sie Löcher in den Bauch fragen und bekommen gescheite Antworten.«
    Paul bedankte sich für den heißen Tipp und läutete seinen Rückzug ein. Nachdem er sein Bier geleert hatte, drückte er Rita seine Karte in die Hand. »Da steht auch meine Handynummer drauf. Sie wissen ja: Ich bin an allem interessiert, was es Neues über den Club zu sagen gibt – und ganz speziell über Buggi.«

5
    Während er in seinem Renault saß und in Richtung Valznerweiher, seinem nächsten Tagesziel, steuerte, dachte Paul über sein unverhofftes Glück nach: Katinka hatte nach all den Jahren des Widerstands endlich ein Einsehen gezeigt und ließ ihn nach Lust und Laune auf eigene Faust ermitteln.
    Fein!
    Diese süße Überraschung hatte allerdings den bitteren Beigeschmack, dass Katinka ihm den Spaß nur gönnte, weil sie dem Fall keine Priorität zumaß und erwartete, dass die Gerichtsmediziner über kurz oder lang einen natürlichen Tod feststellen würden. Außerdem gab es bei ihrer Gönnerhaftigkeit noch einen anderen Haken: Paul konnte sich gut vorstellen, welcher Kommentar dem Zyniker Victor Blohfeld dazu eingefallen wäre: »Sie schickt Sie zum Spielen, damit Sie auf keine anderen dummen Gedanken kommen.«
    Ja, hierin konnte Katinkas wahre Motivation zu finden sein. Andererseits hatte sie auch gesagt, dass sie seine Hilfe mittlerweile ernsthaft anerkannte und wertschätzte. Ein Lob, das Paul freute, und ein Vertrauensbeweis, dem er gerecht werden wollte. Daher nahm er sich vor, bei seinen Recherchen ihr zuliebe möglichst wenig Porzellan zu zerschlagen. Schließlich durfte er sich Katinkas Wohlwollen nicht so schnell verscherzen.
    Es kam Paul gelegen, dass er einen triftigen Grund für seinen Besuch auf dem angestammten Club-Gelände am Valznerweiher vorzuweisen hatte: Der Anruf aus dem Vorstandssekretariat, durch den er zur Herausgabe seiner Fotos aus Buggis Todesnacht aufgefordert worden war, sollte ihm als Anlass und Türöffner dienen. Und so hatte er auch keine Scheu, sich forsch durchzufragen.
    Doch die Vorstandsbüros waren nicht ganz so leicht zu finden, wie Paul gehofft hatte, denn das Areal verfügte über beachtliche Ausmaße. Mehrere Trainingsplätze reihten sich aneinander, dazu kamen eine große Halle für die Schlechtwettersaison, jede Menge Nebengebäude und schließlich die »Neue Club-Heimat«: ein nagelneuer Komplex, der mit geschwungenen Linien und einem riesigen Vereinslogo auf der Fassade punktete. In diesem wahr gewordenen architektonischen Traum aus Stahl, Beton und vor allem Glas vermutete Paul Bronski, dessen Büro er sich als lichtdurchflutete Wohlfühloase, garniert mit Urkunden und Pokalen, vorstellte.
    Der Neubau erwies sich jedoch selbst für Mitarbeiter als noch fremd: Mehrmals wurde Paul bei der Frage nach der Geschäftsstelle in die falsche Richtung geschickt, er wechselte wiederholt das Stockwerk und stieß dann mehr oder weniger durch Zufall auf die Person, zu der er eigentlich wollte.
    Die Frau, bei der er sich im Flur erkundigte, machte einen dynamisch-forschen Eindruck.

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