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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Menge zu berichten. Wahrend sie ihre Aktentasche ausräumte und sich etwas Bequemes überzog, hörte sie ihm geduldig zu, lobte seinen detektivischen Ehrgeiz, erkannte jedoch keinerlei Handlungsbedarf für sich oder die Polizei. Und sie machte deutlich: »Verstehe ich das richtig? Du hattest bei deinen Recherchen bislang ausschließlich mit Frauen zu tun? Diese treuherzige Fanklubchefin Rita, die beredsame Spielerberaterin Ivonne Wagner und Sexbombe Svetlana . . .«
    »Von Svetlana habe ich nur gehört, sie aber nicht getroffen.«
    »Wie dem auch sei«, meinte Katinka mit einem Augenzwinkern, das nicht wirklich lustig gemeint war. »Hoffentlich nutzt du meinen Freifahrtschein für deine Recherchen nicht aus, um noch mehr Frauenbekanntschaften zu schließen.«
    »Nie im Leben!«, versicherte Paul und blinzelte ebenfalls. Das tat er sicherheitshalber gleich mehrfach. Seine Frau wirkte trotzdem nicht vollends überzeugt.
    Katinka hatte sich einen Haufen Arbeit aus dem Justizpalast mit nach Hause genommen und verzog sich nach dem kurzen Small Talk in ihr Arbeitszimmer. Paul tat es ihr gleich und nahm vorm Computer Platz. Weil sich Bronski so sehr über die Fotos aus dem Stadion ereifert hatte, wollte er die Bilder noch einmal ganz genau anschauen. Womöglich hatte er irgendetwas Wesentliches übersehen. Er öffnete das Verzeichnis und rief die Fotos auf.
    Viele waren es nicht. Nur drei Mal hatte Paul im Sanitätsbereich den Auslöser seines Smartphones gedrückt, und immer aus derselben Perspektive. Für ihn als Profi war das ein mageres Ergebnis, doch durfte er sich zugutehalten, dass er in der Sorge um seinen Vater und angesichts von Buggis dramatischem Todeskampf einfach nicht die Nerven – oder die Kaltschnäuzigkeit – besessen hatte, wie ein Geier auf seine Beute loszugehen. Er war halt auch nur ein Mensch – und diese Erkenntnis gehörte nicht zu jenen, für die er sich schämen musste.
    Die Fotos selbst erschienen ihm – abgesehen von der Szenerie mit den Sanitätern im Einsatz – nach wie vor als belanglos. Nichts war zu sehen außer dem Opfer, den hektisch agierenden Sanis und den Gaffern. Paul konzentrierte sich auf Bronski, der auf allen drei Bildern deutlich zu erkennen war. Tat er irgendetwas, das er später lieber ungeschehen gemacht hätte? Etwas, das sein starkes Interesse an den Bildern rechtfertigen könnte? Aber nein, überzeugte sich Paul: Der Club-Boss starrte entsetzt und sorgenvoll auf den Sterbenden wie alle anderen, mit der gleichen ergriffenen Mimik und Gestik. Lediglich auf dem letzten Foto richtete Bronski seine Aufmerksamkeit auf Paul, mit vorwurfsvollem Blick.
    Doch warum auch immer Bronski so scharf auf die Bilder sein mochte, mit seinem Erscheinen auf den Fotos konnte es kaum etwas zu tun haben, folgerte Paul, denn er tat nichts, was in irgendeiner Art und Weise verdächtig wirkte. Handelte es sich also wirklich nur um selbstloses Interesse, um den Versuch, Schaden vom Club fernzuhalten? Paul wollte es nicht so recht glauben und widmete sich den Fotos umso intensiver.
    Nun musterte er auch die anderen Umstehenden, blickte in die teilweise verschwommenen und mitunter unterbelichteten Gesichter der Leute in zweiter und dritter Reihe. Die meisten kannte er nicht. Ausgenommen. . . ja, sie war es tatsächlich! Auf dem zweiten Bild entdeckte er Spielerberaterin Ivonne Wagner ganz rechts außen am Rand. Auch sie mit entsetzter Miene. Sie teilte die Betroffenheit der Anwesenden.
    Paul sah sich weiter um in der anonymen Menge, die er auf seinen Fotografien eingefangen hatte. Dabei wurde seine Aufmerksamkeit durch eine andere Frau erregt: eine hübsche Brünette, die nicht nur wegen ihrer langen Haare und dem niedlichen Gesicht herausstach, sondern auch aufgrund ihrer Körpersprache. Paul mutmaßte angesichts ihrer tadellosen Haltung, dass es ein Model sein könnte oder ein ehemaliges Ballettmädchen. Körperbau, Klamotten, Ausstrahlung – alles vom Feinsten. Und, ja, diese junge Frau wusste, wie man sich in Positur warf. Dieses Wissen um die perfekte Ausstrahlung war ihr so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass es sogar in einer solch angespannten Situation vorhielt.
    Paul dachte an seine letzten Gespräche zurück und reimte sich zusammen, dass es sich bei der Hübschen um Dirk Sakowskys Freundin handeln könnte. Beim näheren Hinsehen meinte er sogar Ähnlichkeiten mit der Spielerbraut zu erkennen, über die er neulich in der Zeitung gelesen hatte. Ja, war er nun ziemlich sicher:

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