Lokalderby
bewusst einen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck auf. »Ich habe gehört, Buggi war für den Verein viel mehr als nur der Fahrer.«
»Aber natürlich!«, gab Rita beinahe empört von sich. »Der Buggi war so etwas wie ein Vermittler zwischen uns Fans und den Spielern. Über ihn kam man am besten ran an die Stars. Aber er hat auch Grenzen zu setzen gewusst: Vor seinem Bus gab’s Autogramme, so viele wir mochten, und manchmal hat er auch ein paar Spieler aus dem Bus geholt, wenn wir das wollten, aber der Bus selbst galt als Sperrzone. Da hat er niemanden von uns reingelassen und die Privatsphäre der Spieler geschützt.«
»Dann war er wohl auch so eine Art Rausschmeißer oder Bodyguard, was?«
Rita legte die Stirn in Falten. »Kaum. Er war ja mehr ein Knuddeltyp mit rundem Gesicht, kurzen Locken, Dreitagebart und gutmütigen Augen.« Sie hob ihre Kaffeetasse an, merkte, dass sie leer war, und setzte sie wieder ab. »Aber das ist nur Oberflächlichkeit. Was ihn wirklich auszeichnete, war seine unerschütterlich gute Laune. Der hat die Identifikation mit dem Club zu 100 Prozent vorgelebt und auch in schlechten Zeiten immer was Positives aus der Sache gezogen. Ja, mit all seinen Vorzügen und sympathischen Macken war er ein ganz wichtiger Bestandteil des Vereins.«
»Dass Buggi beliebt war, hat sich auch bei Presseterminen gezeigt, wenn die Fotografen zur Abfahrt des Club-Busses kamen«, steuerte der Wirt bei. »Die Bundesligaspieler posierten gern fürs Gruppenbild mit Buggi. Kein Wunder, wenn Torwart Schäfer ihn doch als gute Seele des Clubs bezeichnet hat.«
»Ja, ja, der arme Buggi.« Rita seufzte. »Bei uns ist sein Tod ein ganz heiß diskutiertes Thema. Denn die Zeitungen drücken sich ja ziemlich kryptisch aus. Da klingt mehr als nur unterschwellig an, dass jemand nachgeholfen haben könnte.«
Paul nickte. »Sehr undurchschaubar das Ganze.«
»Unsereins fragt sich natürlich, wer so einen netten Kerl wie Buggi ins Jenseits befördern wollte«, meinte Rita, womit Paul sie genau dort hatte, wo er sie haben wollte.
»Hegen Sie einen Verdacht?«
Rita lachte, aber es war kein fröhliches, eher ein bitteres Lachen. »Nicht wirklich. Drüben am Stammtisch wird wild spekuliert, aber es kommt nichts Sinnvolles dabei heraus.«
»Es wird spekuliert?«, blieb Paul am Ball.
Rita winkte ab. »Nichts, was Hand und Fuß hätte. Unsere Leute würden die Schuld an Buggis Tod natürlich am liebsten den Fürthern in die Schuhe schieben. Aber das ist völlig haltlos. Manche können sich vorstellen, dass andere Fanklubs dahinterstecken.«
»Andere FCN-Fanklubs?«, fragte Paul verwundert.
»Schon möglich. Denn es sind ja nicht alle so friedliebend wie wir. Es gibt da ja auch die radikalen Fans, die extremen unter den Ultras.«
»Sie meinen die Bierflaschen – und Leuchtraketenwerfer«, folgerte Paul.
»Ich meine diejenigen, die jede Gelegenheit wahrnehmen, um über die Stränge zu schlagen – und damit uns alle in Misskredit bringen«, sagte Rita mit einem verbitterten Zug um die Mundwinkel. »Die scheuen ja vor keiner Prügelei zurück.«
»Aber doch wohl vor Mord«, versuchte Paul die Verhältnismäßigkeit zu wahren. »Oder etwa nicht? – Ist Ihnen da was zu Ohren gekommen?«
Rita blinzelte ihn unschlüssig an. Paul erkannte sofort, dass er mit seiner Fragerei zu weit gegangen war. Das Bild des harmlosen Fußballlaien war spätestens jetzt zersprungen.
Argwöhnisch erkundigte sich Rita Frenzel: »Mal ehrlich: Sie sind nicht wirklich daran interessiert, unserem Verein beizutreten, oder?« Ein weiteres Mustern, dann die naheliegende Frage: »Kommen Sie von der Polizei oder von der Presse?«
Paul entschied sich für das kleinere Übel: »Nein, keine Polizei«, versicherte er.
»Von der Zeitung also«, meinte Rita, sichtlich enttäuscht über Pauls anfängliche Unredlichkeit.
»Ich recherchiere in der Fanszene«, improvisierte Paul. »Uns ist daran gelegen, die schwarzen Schafe aufzuspüren.«
»Solange wir normalen Fans dabei gut wegkommen, soll es mir recht sein«, meinte Rita zurückhaltend.
»Sie werden mir also helfen?«
Sie haderte mit sich selbst, bevor sie wenig euphorisch sagte: »Wenn ich das kann: ja, meinetwegen. Aber ich möchte nicht namentlich erwähnt werden in Ihrem Artikel.«
»Gut.« Paul war erleichtert. »Dann noch einmal die Frage: Wem würden Sie den Mord Zutrauen?«
»Wer weiß. Jedenfalls könnten Gruppierungen wie die berüchtigten Bad Boys ihn auf die Abschussliste gesetzt
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