Lokalderby
Frau Wagner war so freundlich . . .«
»Ist ja auch egal«, unterbrach ihn der Vorstand schroff und streckte beide Hände aus. Eine ungehaltene Geste, die blanke Gier ausdrückte. »Haben Sie sie dabei? Her damit!«
Paul schloss aus der knapp formulierten Aufforderung, dass Bronski nach den Handyfotos trachtete, und stellte klar: »Wenn es Ihnen um die Bilder geht, muss ich Sie enttäuschen. Ich sehe keinen Grund, sie Ihnen zu überlassen, und auch rechtlich . . .«
»Rechtlich?«, schrie Bronski. »Das Hausrecht habe ich. Ohne gültige Genehmigung durften Sie Ihre Fotos gar nicht schießen!«
Dass der Club-Vorstand dermaßen in die Luft ging, konnte Paul sich nur mit dessen Persönlichkeit erklären: Max Bronski galt als Choleriker. Als ein Mann, dem schnell mal die Hutschnur platzte. Das etwas steife Erscheinungsbild vom Typ Bankkaufmann machte er durch sein mächtiges Sprachorgan jedenfalls locker wett, dachte Paul, ließ sich aber nicht einschüchtern.
»Wenn Sie laut werden, erreichen Sie bei mir gar nichts. Außerdem liegt die Sache sowieso nicht mehr in meinen Händen. Ich habe die Bilder der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt.« Das traf zwar nicht zu, denn Katinka hatte bislang noch gar nicht um die Überlassung der Fotos gebeten – wohl, weil sie diese für nicht relevant hielt –, aber dennoch erzielte er mit dieser Bemerkung die beabsichtigte Wirkung.
Während Ivonne Wagner auf ihrem Stuhl immer mehr zusammensackte und am liebsten unter den Schreibtisch gekrochen wäre, staute sich in Bronski der Dampf für den nächsten Ausbruch auf. Seine Kiefer mahlten, an den Schläfen zeichneten sich dicke Adern ab.
»Wie kommen Sie dazu, die Staatsanwaltschaft ins Spiel zu bringen?«, brüllte er.
Paul war versucht, sich die Ohren zuzuhalten. »Ich sagte doch: Mit Geschrei können Sie mich nicht unterkriegen.« Damit stand er auf, ging gemessenen Schrittes zur Tür und deutete der Spielerberaterin gegenüber eine Verbeugung an. »Vielen Dank, Frau Wagner, dass Sie mich so freundlich aufgenommen haben. Richten Sie Ihrem Chef bitte aus, dass ich sehr gern mit ihm spreche, sobald er bereit ist, sich mit mir wie unter zivilisierten Menschen üblich zu unterhalten.« Im nächsten Moment hatte er das Büro verlassen.
Er zog die Tür hinter sich zu, ohne dass sie ins Schloss fiel. Denn Paul hatte nicht vor zu gehen. Nicht solange er die Chance sah, einige womöglich wesentliche Informationen aufzuschnappen.
Tatsächlich erhob sich Bronskis Stimme, kaum dass Paul seinen Lauschposten im Flur bezogen hatte: »Was hatte der Kerl in Ihrem Büro zu suchen?«, fauchte Bronski.
»Das hat er doch gesagt: Er kannte sich hier nicht aus«, antwortete Ivonne Wagner sehr kleinlaut.
»Da haben Sie sich seiner angenommen und ihm bei der Gelegenheit wahrscheinlich sämtliche Intimitäten aus dem Privatleben unserer Spieler auf die Nase gebunden. Ihr loses Mundwerk bringt uns eines Tages noch in Teufels Küche!«, grollte Bronski, der mit der Schwachstelle seiner Mitarbeiterin offensichtlich vertraut war.
»Habe ich nicht«, protestierte sie zaghaft. »Er hat sich nur für Buggi interessiert, nicht für die Mannschaft.«
»Für Buggi?« Bronski murmelte etwas für Paul Unverständliches. Dann sagte er wieder lauter »Jedenfalls kommt mir der Typ nicht mehr ins Haus. Solche Leute wie der Flemming bringen nur Ärger, und davon haben wir schon mehr als genug. Erst die Negativschlagzeilen wegen Buggi, die Gerüchte über Modzigs Wechsel zu den Fürthern und dann noch diese Geschichte mit den Wetten.«
Wetten? Das war ein ganz neuer Punkt, dachte Paul und spitzte die Ohren.
»Da ist aber nichts dran, oder?«, piepste Ivonne Wagner unterwürfig.
»Das kann man nie wissen. Wir müssen auf jeden Fall am Ball bleiben, denn wenn irgendwer was Illegales aufzieht, dürfen wir das unter keinen Umständen tolerieren. Ich will den Club nicht noch mal in die Prozessmühlen treiben lassen wie vor 20 Jahren. Und wenn es stimmt, dass Sakowsky seine Hände im Spiel hat, soll es mir egal sein, wie gut er auf dem Feld ist. Dann fliegt er hochkant raus!«
Schon wieder Sakowsky, dachte Paul, den es immer misstrauisch machte, wenn ein Name mehrmals erwähnt wurde.
Da der Flur sich allmählich belebte und er einige skeptische Blicke auf sich zog, musste er seinen Lauschposten aufgeben. Mit mehr Fragen als Antworten im Kopf verließ er die FCN-Verwaltung.
6
Als Paul gegen Abend fast zeitgleich mit Katinka heimkam, hatte er ihr eine
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