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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Fans.«
    »Doch, doch. Bitte nicht falsch verstehen. Ich bewundere die Hingabe unserer Anhänger. Sie machen den Club erst zu dem, was er ist.«
    »Aber?«, hakte Paul ein.
    »Aber manche übertreiben es ein wenig.«
    »Sie reden von den Ultras?«
    »Insbesondere von den Bad Boys. Ja, ich muss zugeben, dass diese Jungs mitunter den Bogen überspannen.«
    »Die überzogene Begeisterung der extremen Fans gefährdet das Renommee des Clubs, was?«
    Ivonne Wagner holte tief Luft. »Ich merke schon, Sie wollen es genau wissen. Also gut. Aber dann muss ich etwas ausführlicher werden.«
    »Nur zu!«, ermunterte Paul.
    »Um zu begreifen, wie die Ultras ticken, muss man sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen: Sie sind ja mehr als bloß eine bunte und vor allem schrille Kulisse, sondern sehen sich als Stachel im Fleisch des modernen Fußballs, als Gegenpol zum reinen Kommerz. Es ist kein Zufall, dass die ersten Ultras Mitte der Neunzigerjahre auftauchten, als aus Stadien Arenen mit VIP-Lounges wurden. Sie vermeiden jeden unnötigen Kontakt mit Funktionären und der Polizei, weil sie sich nicht einspannen lassen wollen in das große Geschäft mit dem Fußball. Sie haben ein äußerst diffuses Verhältnis zur Gewalt: Eine Mehrheit toleriert, dass eine Minderheit zuschlägt. Brutalität stiftet in gewisser Weise die Identität der Ultras und damit ihren sozialromantischen Glauben, Volkes Stimme zu sein. Dies spricht aber auch für ihre Naivität.«
    »Eine ziemlich handfeste Naivität.«
    »In der Tat trifft das bei extremen Gruppierungen wie den Bad Boys zu: Ihre Waffen sind Gaspistolen, Baseballschläger und Bengalos.«
    »Ich denke, dass die Gewaltbereitschaft das eigentliche Problem ist«, wollte Paul den akademischen Ausflug seiner Gesprächspartnerin abkürzen.
    »Na ja, ein echter Ultra würde Ihnen darauf in etwa so antworten: › Wir gehen selbstbewusst durchs Leben, sind aber nicht zwanghaft auf der Suche nach neuen Feinden ‹ .«
    »Und wenn dann doch die Fetzen fliegen . . .«
    ». . . dann waren es die anderen, die angefangen haben. – Das Selbstbild der Bad Boys und die Betrachtung von außen liegen weit auseinander.«
    »Aber bei einer so eindeutigen Sache wie Mord bleibt kein Spielraum für unterschiedliche Perspektiven der Wahrnehmung«, redete Paul jetzt Tacheles. »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass sich die Bad Boys Buggi kurz vor seinem Tod vorgeknöpft haben. Dabei sind sie nicht gerade zimperlich mit ihm umgegangen.«
    »Wirklich?«, kam es nach einigen Sekunden Pause aus dem Hörer. »Meint die Polizei, dass die Fans etwas damit zu tun haben?«
    »Die Polizei? Nein, noch nicht. Aber sie wird zweifellos gegen die Bad Boys ermitteln.«
    »Das ist schade«, sagte Ivonne Wagner und klang bedrückt. »Und auch traurig. Ich habe an eine Wende in der Entwicklung geglaubt. Wissen Sie, unsere Fanbeauftragten haben viele Gespräche geführt in der letzten Zeit. Sie haben sich alle Mühe gegeben, wieder eine Art Ästhetik in die Kurve zu bringen und sie nicht durch einzelne aggressive Gruppierungen stören zu lassen. Das martialische Gehabe der Bad Boys ist schon lange ein Problem. Die Ultras sollen ja nicht als furchteinflößender Block auftreten, sondern facettenreich und farbenfroh. Ultra – dieser Begriff steht eigentlich für Kreativität, für Entfaltung und Weltoffenheit. Bei der überwiegenden Mehrheit der Nürnberger Hardcorefans ist es auch so. Da gibt es viel Transparenz und internationale Verbindungen mit anderen Fanvereinigungen, etwa in Wien und Göteborg. Aber bei den Bad Boys . . .«
    ». . . da bleibt es bei frommen Wünschen, fürchte ich«, meinte Paul. »Jedenfalls müssen wir der Tatsache ins Auge blicken, dass die Bad Boys nicht unbeteiligt sind an dieser schlimmen Geschichte mit Buggi.«
    Ivonne Wagner seufzte. »Ich kann froh sein, dass das nicht meine Baustelle ist. Ich habe mit meinen Jungs aus dem Kader genug um die Ohren.«
    Paul musste lachen. »Sind Sie wohl immer noch damit beschäftigt, die Hochzeit von Sakowsky und Svetlana zu vereiteln?«
    »Lästern Sie nur, Herr Flemming. Sakowsky wird es mir eines Tages danken, wenn mir das tatsächlich gelingen sollte. Aber mein Einfluss ist begrenzt: Am Ende müssen die Jungs selbst wissen, was sie tun. Ob das nun gut für sie ist oder nicht. Ich kann nicht mehr tun, als ihnen wohlgemeinte Ratschläge mit auf den Weg zu geben und sie vor den schlimmsten Übeln zu warnen. Doch wenn Liebe im Spiel ist. . .«
    »Liebe macht

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