Lokalderby
Leute wie Fränki meinten das bitterernst. Sie würden alles tun für ihre Leidenschaft, ihren Lebensinhalt.
Alles?
Paul trat wieder näher an Fränki heran und fragte mit kaum verhohlener Aggressivität: »Wie weit würden du und deine Spezis gehen in eurem Eifer für den Club?«
»Was soll die blöde Frage? Verstehe ich nicht.«
»Gibt es für dich und deine Kumpane Grenzen, wenn ihr die Belange eures Vereins verteidigt?«
»Nein!« Fränki schrie es geradezu heraus. »Für uns gibt’s keine Grenzen, wenn es um den Club geht.«
Na also, dachte Paul. Damit hatte sich der nächtliche Ausflug doch noch gelohnt. Er nahm den Ultra erneut ins Visier: »Gilt das auch für Buggi? Habt ihr ihm gezeigt, dass ihr kein Limit kennt?«
Fränki zuckte zusammen und wirkte das erste Mal während ihres Gesprächs besorgt. »Du schnüffelst also noch immer wegen dem Busfahrer herum«, stellte er fest, wobei man ihm anmerkte, wie sehr ihn das störte.
»Natürlich. Denkst du, dein kleiner Überfall hätte mich davon abbringen können?« Paul setzte ein überlegenes Lächeln auf, das mehr Schau war, als dass es seinen wahren Gemütszustand wiedergab. Tatsächlich hatte ihm die Attacke vor ein paar Tagen einen mächtigen Schrecken eingejagt und fast zur Aufgabe dieses Falls bewegt.
»Der Buggi ist selbst schuld«, sagte Fränki leise und mit weit weniger Selbstbewusstsein als bisher. »Der hat den Club verraten wollen. So was tut man nicht. Schon gar nicht, wenn man das Vertrauen des Kaders genießt.«
Paul hielt die Luft an. Er hatte das Gefühl, vor einem Spielautomaten zu stehen und soeben den Hauptgewinn einzustreichen. Er meinte sogar, das Klimpern der Geldstücke zu hören, die sich in den Ausgabeschacht ergossen. »Buggi ist also selbst schuld?«, fragte er betont langsam.
»Ja«, bestätigte Fränki. »Er wollte sich zum Judas machen. Er wollte diesen Schreiberlingen von der Presse für eine Handvoll Bares alles erzählen, was er über die Spieler wusste. Ein elender Verräter!«
Paul bedauerte, weder ein Bandgerät mitlaufen lassen zu können noch einen Zeugen für dieses Gespräch parat zu haben. »Also hat er seinen Tod verdient?«
Fränki stutzte: »Tod? Wer redet denn von Tod?«
»Ich!« Paul baute sich vor ihm auf. »Ich will wissen, wie ihr es gemacht habt! Und ich will wissen, wer von euch beteiligt war an dem Mord!«
Fränki neigte den Kopf und sah Paul befremdet an. »Hey, Mann, du bringst da was durcheinander. Ich habe nur gesagt, dass Buggi es sich selbst zuzuschreiben hat, was ihm passiert ist, aber nicht, dass wir etwas damit zu tun haben.«
»Ach nein? Hast du nicht eben behauptet, ihr würdet für den Club alles tun? Es gäbe keine Grenzen?«
»Aber doch niemanden umbringen!« Fränki schüttelte heftig den Kopf. »Okay, wenn du es genau wissen willst: Wir haben ihm ein paar verpasst, als wir Wind von seinen Zeitungsplänen bekommen hatten. Wir haben ihn abgefangen und in die Mangel genommen. Er sollte spüren, was wir Bad Boys davon halten, wenn einer so private Dinge über die Spieler ausplaudert und sie damit schwächt. Ausgerechnet vorm Derby gegen die Kleeblätter.«
»Ihr habt ihn also vermöbelt«, wiederholte Paul. Mit dieser Aussage waren zumindest Weinfurthers äußere Verletzungen zu erklären – nicht aber der Giftmord durch den Medikamentencocktail. Also spitzte er seinen Verdacht weiter zu: »Anschließend habt ihr ihn mit haufenweise Pillen vollgestopft, um ihn endgültig zum Schweigen zu bringen. War es nicht so?«
Fränki wirkte überrascht, und das sah sehr überzeugend aus. »Nein! Was denn für Pillen? Wenn wir kurzen Prozess machen wollen, dann mit unseren Fäusten.«
»Wer’s glaubt. Ist eure Geschichte nicht voll von Ausschreitungen und Brutalitäten?«
Fränki ließ sich nicht in die Defensive treiben: »Von uns erwartet man immer, dass wir reden und über unsere Fehler nachdenken. Tun das die Verbände und die Bullen denn auch?«
»Jetzt keine Ausflüchte!«
»Wir haben mit organisierten Straftaten nichts zu tun!«, verteidigte er sich und nahm auch seine Leute in Schutz: »Überleg doch mal, wie unsicher die Stadien vor unserer Zeit waren, als noch die Hooligans das Sagen hatten.«
»Das hat aber nichts mit Buggi und seinem Schicksal zu tun«, unternahm Paul einen weiteren Anlauf, ihn festzunageln, sah aber kaum noch Erfolgschancen. »Ihr habt ihn umgebracht.«
Fränki ging, noch immer an das Wellblech gelehnt, zwei Schritte zur Seite. »Haben wir nicht. Es
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