Lokalderby
sollte nur eine Drohung sein. Ein Denkzettel. Mehr wirst du nicht aus mir herausbringen, denn mehr gibt es nicht zu sagen. Deinen Mörder musst du woanders suchen.« Es folgte ein dritter und ein vierter Schritt. »Wir wollten ihn einschüchtern. Sonst nichts.«
Mit diesen Worten setzte sich Fränki in Bewegung und rannte. Er lief, stolperte, lief weiter, bis die Umrisse seines wankenden Körpers mit der Dunkelheit verschmolzen.
Paul setzte ihm nicht nach, denn er hatte genug gehört, um zu wissen, dass er noch immer nichts wusste.
Eine knappe halbe Stunde später kam er zu Hause an.
»Bin wieder da«, flüsterte er, als er sich neben Katinka unter die Decke kuschelte.
»Ziemlich spät«, raunte sie verschlafen.
»Ja, sorry, tut mir ehrlich leid.«
»Hast was verpasst. Das Essen war fantastisch. Über deine Portion hat sich Bella hergemacht, ist nichts übrig geblieben.«
»Und meine Eltern? Waren sie sauer, dass ich nicht da war?«
»Sie wollen dich enterben. Und ich habe ihnen meinen rechtlichen Beistand dafür angeboten.«
16
Katinka gab ihm keine Gelegenheit, sich mit ihr zu versöhnen. Als er am Morgen erwachte, war das Bett neben ihm leer. Seine Frau hatte still und heimlich das Haus verlassen, was sich bestätigte, als er auf der Suche nach ihr erfolglos durch Bad und Küche schlurfte. An ihrer Stelle erwartete ihn der Abwasch des gestrigen Abends: Pfannen, Töpfe und Teller stapelten sich neben Gläsertürmen. Katinka hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Besteck in die Spülmaschine zu räumen.
Paul ahnte, dass eine verdammt schwierige Zeit auf ihn zukommen würde. Denn Katinka war nachtragend und besaß in solchen Dingen das Gedächtnis eines Elefanten. Entsprechend gering war Pauls Lust, sie in ihrem Büro anzurufen und ihr von Fränkis Geständnis zu berichten, dass Buggi Weinfurther zumindest seine äußeren Blessuren den Bad Boys zu verdanken hatte.
Nach einigem Hin und Her kam er zu dem Schluss, dass er die schmollende Frau Oberstaatsanwältin erst in ihrer Mittagspause mit der Neuigkeit beglücken würde – in der Hoffnung, dass sie bis dahin etwas Dampf abgelassen haben und weniger zornig sein würde. In der Zwischenzeit würde er weitere Nachforschungen anstellen. Denn das Gespräch von gestern Abend beschäftigte ihn noch immer, zumal er uneins mit sich selbst war, wie er die Ausrichtung der Bad Boys einschätzen sollte: radikal, extrem, gewaltbereit? Oder war bei denen alles mehr Schein als Sein?
Was er brauchte, war eine fachkundige Meinung, ein Expertenrat. Zunächst kam ihm Sportreporter Bäcker in den Sinn, der bestimmt nichts dagegen gehabt hätte, sich noch einmal von ihm löchern zu lassen. Doch dann fiel Paul jemand ein, der noch geeigneter sein könnte.
Er hatte es eilig, zur Garderobe zu gelangen und seine Jacke nach dem Portemonnaie zu durchsuchen. Paul entnahm die in den letzten Tagen gesammelten Visitenkarten und zog eine mit eingeprägtem FCN-Logo heraus. Er wählte die Nummer von Ivonne Wagner.
Die angenehm warme Stimme der Spielerberaterin meldete sich prompt, und als Paul seinen Namen nannte, fiel die Begrüßung sehr freundlich aus: »Ach, das ist ja nett, dass Sie sich noch mal rühren. Ich hatte befürchtet, der Auftritt meines Chefs neulich hätte Sie für alle Zeiten verschreckt.«
»So leicht bin ich nicht zu verschrecken. Außerdem hatte ich eher erwartet, dass Sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, nachdem Ihnen Bronski die Hölle heißgemacht hat.«
»Nein, nein . . . ich glaube, ich bin Ihnen noch den Rest unseres unsanft beendeten Gesprächs schuldig.«
»Schuldig sind Sie mir gewiss nichts, aber ich komme gern darauf zurück«, meinte Paul und ließ sich bereitwillig auf ein Geplänkel über Chefs im Allgemeinen und Bronski im Besonderen ein, die neuesten Marotten von Spielern und darüber, dass der Durchschnittsbürger ja auch nicht immer ganz einfach zu nehmen sei. Ivonne Wagner berichtete vom Knatsch mit ihrem Nachbarn, der mit Vorliebe an lauen Sommerabenden Rasen mähte, wenn sie mal ihre Ruhe haben wollte, umgekehrt aber Sturm lief, sobald sie mal zu einer Gartenparty einlud.
»Sind halt alles nur Menschen«, fasste Paul ihr kurzweiliges Gespräch zusammen, um zu seinem eigentlichen Anliegen überzuleiten: »Genauso wie die Fans.«
»Ja, da sagen Sie was Wahres: Unsere Fans sind ganz besonders menschlich – im Sinne von emotional«, meinte Ivonne Wagner etwas despektierlich.
»Das klingt nicht so, als wären Sie ein Fan der
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