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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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gehört hat. Der glaubt doch, dass einer wie du nur Tiefkühlpizza und Bier zu sich nimmt. Und im Supermarkt klaut und sich mit Hilfe von Ehrenämtern vor anständiger Arbeit drückt.
    Trotzdem kein Grund, sich um mich zu kümmern, damals. Hanns lässt nicht locker. Plötzlich will er unbedingt wissen, warum Daniel ihn gerettet hat in dem Supermarkt.
    Lass uns die Tapas essen. Jetzt habe ich doch Hunger.
    Drei Stunden später trennen sie sich. Hanns sieht Daniel hinterher, wie der mit seiner Bohrmaschine in der Hand losläuft. Sein Gang erinnert ihn auch an jemanden. Aber er wird es nie rausbekommen. Da ist er sich plötzlich sicher. Er wird nie rausbekommen, an wen Daniel ihn erinnert. Und warum er in sein Leben geraten ist.
    |49| Hanns bleibt an der Straßenbahnhaltestelle stehen und wartet. Ein Verrückter kommt auf ihn zu. Das sieht er und riecht er zehn Meilen gegen den Wind. Dass der Kerl da verrückt ist, der auf ihn zuläuft. Bleibt vor ihm stehen und kramt mit extrem verlangsamten Bewegungen in einer Plastiktüte, die er in der linken Hand hält. Warte, sagt er, als spräche er mit Hanns und nicht mit sich, ich werde dir zeigen, dass die mir nicht die richtigen Medikamente verschrieben haben. Er hebt den Kopf, unendlich langsam, elend mühevoll, und versucht, Hanns in die Augen zu sehen. Der starrt zurück, in übergroße Pupillen, die gar nicht in der Lage sein können, etwas zu sehen. Denkt er.
    Lass mal sein, sagt Hanns und tritt einen Schritt zurück. Ich kann mir schon denken, was sie dir geben.
    Werde das Zeug absetzen, murmelt der Typ und kramt weiter in seiner Plastiktüte. Die wollen nur, dass ich nicht mehr auf die Stimmen höre. Als ob ich ohne Stimmen besser. Der Mann dreht sich um und geht los. Hanns bleibt stehen und wartet darauf, dass ihm der Kerl leidtut. Das passiert nicht, und zum hundertsten Mal denkt Hanns, dass er sich langsam aber offensichtlich zu einem Arschloch entwickelt. Wenn sie ihn jetzt anriefen, um ihm zu sagen, dass Veronika tot ist. Er hätte vielleicht Mühe zu heulen. Oder irgendetwas Angemessenes zu tun. Nun gut, dächte er vielleicht, dann muss ich jetzt halt ohne Vroni leben. So ein Arschloch ist er schon geworden. Was ist eigentlich passiert? Was ist verdammt noch mal passiert?
    Hanns läuft nun doch los und wartet nicht länger auf die Straßenbahn. Die kann ihm gestohlen bleiben. Er braucht eine halbe Stunde bis zur Wohnungstür. Im Schlafzimmer brennt Licht. Vroni, Veronika, liegt im Bett und liest.
    Du siehst blass aus, sagt er und staunt seine Frau an, die abends um acht schon im Bett liegt und liest. Du siehst richtig krank aus.
    |50| Ich bin nur müde und habe Bauchschmerzen. Sie lüftet kurz die Bettdecke und zeigt ihren Bauch, auf dem ein Heizkissen liegt.
    Die älteste Ausrede der Welt, denkt er und sieht sich im Schlafzimmer um. Warum gehen wir nicht in getrennte Betten. Dann schaut er sich Veronika wieder an und bekommt plötzlich Mitleid. Sie sieht wirklich traurig aus. Was ist, fragt er. Was ist los?
    Jemand will mich fertigmachen. Aber ich kann nicht drüber reden. Dann wird es Realität, wenn ich darüber rede. Du musst einfach nur so tun, als sei zwischen uns beiden alles in Ordnung. Das hilft.
    Hanns ist ratlos. Welche Katastrophe hat Veronika da wieder vor Augen? Ihm ist das schon immer suspekt gewesen, diese Art, sich durchs Leben zu ängstigen. Jemand will mich fertigmachen. Als ob es uns nicht allen so geht. Da läuft doch immer jemand rum, der einen fertigmachen will.
    Er dreht sich um und geht aus dem Schlafzimmer. Geht ins Bad, zieht sich aus und steigt unter die Dusche. Trocknet sich ab, zieht seinen Bademantel an, putzt sich die Zähne, geht in die Küche, nimmt eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank und ein Glas aus dem Geschirrspüler. Geht ins Wohnzimmer, macht den Fernseher an und starrt, bis es endlich spät und Schlafenszeit ist. Als er ins Schlafzimmer kommt, hat Vroni das Licht ausgemacht und sich auf die Seite gedreht. Das Heizkissen liegt auf dem Fußboden vor ihrem Bett.
    Die älteste Ausrede der Welt, flüstert Hanns und legt sich hin. Er rollt sich auf die Seite und denkt an den Arsch der Kellnerin. Und an Daniel, der ihm nicht sagen wollte, warum er ihn damals im Supermarkt wirklich gerettet hat. Wenn er Lokalredakteur ist, wird ihn das alles nicht mehr interessieren.

|51| 5. Kapitel
    Veronika geht nun doch zur Polizei. Die Briefe haben sich so in ihrem Kopf festgesetzt, dass sie gar nicht anders kann. Sie steckt sie in einen

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