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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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einen Umschlag. Dann legt sie den Umschlag beiseite und mailt das Ganze direkt an die Firma. Wenn die noch eine Unterschrift haben wollen, kann sie es immer noch abschicken. Jetzt will sie so schnell wie möglich eine Zusage. Damit sie loslegen kann, sich wegarbeiten von Ah-Sagern und Ich-Schreibern.
    Als sie vom Drehstuhl aufsteht, wirft sie den Routineblick zurück, bevor sie aus dem Zimmer geht. Und sieht, dass zwei große rote Flecken den beigefarbenen Bezugsstoff verunzieren. Erschrocken fährt ihre rechte Hand zum Hintern. Der ist feucht und klebrig.
    Schluss, sagt Veronika. Schluss endlich. Die Scheiße kommt raus. Das ist mein vierter Bürostuhl. Ich mach das nicht mehr mit.
    Sie dreht sich um, geht ins Bad und fängt an zu heulen.

|57| 6. Kapitel
    Hanns überlegt, ob es Sinn hat, sich für das Bewerbungsgespräch schon wie ein Lokalredakteur anzuziehen. Zu verkleiden. Vielleicht. Er weiß es nicht. Hängt die schwarze Jeans raus und ein weißes Hemd, dazu das schwarze Jackett. Hängt die neugekaufte alte Wildlederjacke daneben, eine blaue Jeans und ein weißes T-Shirt. Ich gehe zum Chefredakteur, was ist da richtig, fragt er sich und starrt auf die Klamotten an seinem Kleiderschrank. Er entscheidet sich für die schwarze Hose und das Jackett, zieht aber anstatt des Hemdes das T-Shirt an. Guter Kompromiss, sagt er dem Spiegel. Sehr guter Kompromiss.
    Noch zwei Stunden Zeit bis zum Gespräch. Viel zu viel, viel zu dumm, so lange warten zu müssen. Er wählt Daniels Nummer und hört sich die Ansage an. Das ist die mobile Telefonnummer von Daniel. Wenn du es wirklich ernst meinst, dann sag was. Ich rufe zurück. Versprochen.
    Schon immer hat ihn diese Duzerei irritiert. Er wird von mehr und mehr Anrufbeantwortern geduzt. Das ist unangenehm.
    Daniel, ich habe in zwei Stunden mein Bewerbungsgespräch. Wenn du Lust hast, können wir uns danach treffen. Ruf mich einfach an. Ich schalte das Handy auf lautlos. Hanns schickt noch ein eher zögerliches Bisdann hinterher und legt auf. Er geht ins Bad und putzt sich die Zähne. Das hat keinen Sinn, aber es beruhigt ihn. Er schaut sich im Spiegel an und nimmt Vronis Pinzette. Mit der zupft er sich vier graue widerborstige Haare aus den |58| Augenbrauen. Vroni hat es so einfach, denkt er. Die schminkt sich zu vor einem solchen Termin, und dann erkennt sie niemand. Mir sieht man doch an, dass ich scheiße aufgeregt bin. Ein alternder Sack, der einen Job braucht.
    Hanns nimmt aus dem Spiegelschrank einen Lippenstift und malt sich die Lippen bordeauxrot. Das sieht nun wirklich geschossen aus. Er kramt zwischen den ganzen Utensilien, deren Sinn sich nicht erschließt, hält einen Eyeliner gegen das Licht und überlegt, ob man mit dem Linien unter die Augen oder auf die Lider malt. Er versucht es mit Letzterem und scheitert kläglich. Das Zeug verschmiert und brennt fürchterlich. Halbblind sucht er irgendwas zum Abwischen und Auswaschen. Und weil ihm nichts Besseres einfällt, greift er nach den feuchten Toilettentüchern. Nun brennt es erst richtig. Hanns wird ein bisschen hektisch, lässt das Wasser laufen und wäscht sich Gesicht und Augen. Immer wenn er den Kopf hebt, sieht er sein Clownsgesicht. Bordeauxrot und schwarzgeschliert. Es dauert, bis alles runter ist, und nun sieht die Gesichtshaut rosig und ein bisschen wund aus.
    Wunderbar, murmelt Hanns, ich bin ein Blödmann.
    Aber wenigstens ist Zeit vergangen. In ein paar Minuten kann er sich auf den Weg machen. Er cremt die gerötete Gesichtshaut ein und kämmt sich noch einmal. Zum hundertsten Mal überlegt er, ob es nicht besser wäre, sich den Kopf kahlscheren zu lassen. Das passte doch in die Kreisstadt. Wenn ich den Job kriege, sagt er dem Spiegel, lasse ich mir eine Glatze schneiden. Weg mit dem Zeug und ran an den Speck, haut den Lukas, fickt euch selbst, lasst es krachen.
    Das hilft. Es hilft immer, einen sinnlosen Spruch an den nächsten zu reihen. Früher hat er das gemacht, wenn er auf der Suche nach Schlagzeilen war. Dann hat er alle |59| Sprüche, die ihm in den Sinn kamen, runtergebetet. Und irgendwann war er so drin, dass sich die Worte beliebig verdrehen und neu ordnen ließen. Dabei ist oft etwas rausgekommen. Richtig gute Schlagzeilen sind das manchmal geworden.
    Blas mir den Hobel aus, ehe ich mich schlagen lasse, der Esel nennt sich selbst zuerst, das ist gehupst wie gesprungen, ich bin reif für die Insel, das ist mir ein innerer Parteitag, nicht meine Kragenweite, ich kippe gleich aus den Latschen.

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