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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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und will hinterher stundenlang über den Film reden.
    Es ist wahrscheinlich nicht mehr und nicht weniger als eine seltsame Freundschaft. Redet Hanns sich ein. Aber sicher ist er sich nicht. Vielleicht ist Daniel ja schwul. Wahrscheinlich ist er das. Aber er hat noch nie irgendetwas in dieser Richtung gesagt. Geschweige denn getan. Und Hanns muss sich eingestehen, dass ihm die Freundschaft auch etwas bedeutet. Sie war von Beginn an wie ein Projekt auf Abruf. Unwägbar.
    Hanns wählt Daniels Nummer und sagt: Ich weiß nicht, ob ich Lust auf Kino habe. Heute.
    Was machst du, fragt Daniel und klingt, als stünde er in einer riesigen Halle.
    |41| Wo bist du, fragt Hanns zurück. Daniel schweigt, und um ihn herum dröhnt die Welt. Hanns fummelt an der Wildlederjacke rum, die er kaufen will.
    Tanz der Vampire, sagt Daniel, ohne auf die Frage zu antworten. Den magst du doch auch? Wir könnten uns in einer halben Stunde vor dem Tilsit treffen. Was meinst du?
    Wo bist du, fragt Hanns und findet sich ein bisschen stur. Aber in diesem Augenblick wird ihm klar, dass Daniel auf diese Frage fast nie antwortet. Immer wenn er wissen will, wo Daniel gerade ist, macht der einen Vorschlag, wo man sich in einer halben, Dreiviertel-, ganzen Stunde treffen könne.
    Baumarkt, sagt Daniel. Meine Bohrmaschine ist kaputt. Hanns kann sich nicht vorstellen, dass Daniel einer ist, der mit der Bohrmaschine hantiert. Und zum hundertsten Mal fällt ihm ein, dass er nicht weiß, wie es bei Daniel zu Hause aussieht. Gilt aber auch umgekehrt, denkt Hanns und findet diesen Gedanken etwas beruhigend. Dass Daniel nicht viel von ihm weiß, macht es einfacher, kaum etwas von Daniel zu wissen. Dabei führen wir andauernd intime Gespräche, denkt Hanns. Und ich kenne nicht mal seinen Nachnamen. Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen, fragt Hanns und erntet noch einen Moment Schweigen.
    Wie kommst du jetzt darauf?
    Nur so. Ist mir gerade eingefallen. Du kannst dir meine Bohrmaschine borgen. Und seine Bohrmaschine verborgt man nur an Menschen, deren Nachnamen man kennt. Finde ich.
    Daniel lacht. Ich dachte mir, es ist ganz gut, wenn ich eine neue kaufe. Das hat so etwas Beständiges. Verlässliches. Und ich heiße Daniel Leuschner.
    Wie kommt er denn darauf, fragt sich Hanns, dass eine |42| eigene Bohrmaschine für Beständigkeit und Verlässlichkeit steht? Er schweigt zu dem Unsinn. Lass uns einfach ein Bier trinken. In irgendeinem dieser Schickimickiläden in der Oranienburger.
    Gut. Ich bin in einer Stunde da. An der Straßenbahnhaltestelle vor dem Park. Geht es dir gut? Du klingst wütend.
    Ich doch nicht, denkt Hanns und fühlt, wie die fette dunkelblaue Wut sich anschleicht. Bis nachher, sagt er und drückt Daniel weg von sich. Er bezahlt die Wildlederjacke und zieht sie an. Obwohl sie nach chemischer Reinigung stinkt. Draußen hat sich die Sonne breitgemacht. Ausflugswetter, denkt Hanns und läuft los. Eine Stunde, da kann er bis in die Oranienburger laufen. Wird ihm guttun und die fette blaue Wut vertreiben.
    Daniel wartet schon, als er endlich ankommt. Trägt eine große Baumarkttüte. Ich habe mir wirklich eine Bohrmaschine gekauft, sagt er und lacht. Du siehst komisch aus. Ist die Jacke neu?
    Meine erste Secondhandjacke. Für die Kreisstadt.
    Dann klappt es also mit dem Job?
    Das wird sich nächsten Dienstag entscheiden. Aber ich gehe mal davon aus, dass niemand außer mir diesen Job haben will. Daniel guckt skeptisch. Es gibt doch aber eine ganze Menge arbeitslose Journalisten, oder? Ich lese die Stellenanzeigen, weißt du. Solche, wie du einer bist, annoncieren da andauernd.
    Hanns will das nicht hören. Er denkt auch, dass sich Dutzende für diese Stelle beworben haben.
    Wieso liest du die Stellenanzeigen? Die hätten mich nicht zum Gespräch eingeladen, wenn sie mir den Job nicht geben wollen. Da bin ich sicher.
    Daniel sieht heute irgendwie schmuck aus. Das Wort fällt Hanns ein, wenn er seinen jungen Freund anschaut. |43| Und zum hundertsten Mal findet er, dass ihn Daniel an jemanden erinnert. Es ist bisher immer nur bei diesem vagen Gefühl geblieben. In manchen Momenten, so wie jetzt, glaubt Hanns, ganz dicht dran zu sein. An der Erkenntnis. Oder am Erkennen. Aber auch dieser Moment geht vorüber, und Daniel ist wieder nur Daniel.
    Sie entscheiden sich für den dritten Schickimickiladen. Daniel findet es lustig, dass Hanns alle Kneipen und Restaurants hier in der Ecke so nennt. Da sitzen mehr bayerische Touristen drin, als du glaubst, Hanns.

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