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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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Umschlag und läuft zum nächsten Revier. Dort kündigt sie an, eine Anzeige gegen Unbekannt stellen zu wollen. Das ist beruhigender als die Vorstellung, es sei gar kein Unbekannter, der sich ihr nähern will. Sagt man wirklich Anzeige stellen, fragt sie sich, während ein junger Polizist sie bittet, Platz zu nehmen und zu warten, bis sie aufgerufen wird. Man sagt doch erstatten, Anzeige erstatten. Veronika steht von ihrem Stuhl wieder auf und geht noch einmal zu dem jungen Polizisten. Ich will natürlich Anzeige erstatten und nicht stellen, sagt sie. Der Mann sieht sie an, als hielte er sie für verrückt. Aber das ist ihr egal. Hauptsache, sie hat es richtiggestellt und steht hier nicht als Sprachidiotin da.
    Veronika setzt sich wieder auf ihren Platz und schaut sich eine Broschüre an, in der Tipps und Hinweise gegeben werden, wie man sich vor Taschendieben und anderen Betrügern schützen kann. Ich hätte das nicht berichtigen brauchen, denkt sie beim Lesen. Hier waren ja wohl auch Sprachidioten am Werk.
    Lisch aus, mein Licht, was dir gebricht, das ist nun fort, an diesem Ort kannst du’s nicht wieder finden, du musst nun los dich binden
, singt sie leise und versteckt sich dabei hinter der Broschüre.
Sonst hast du lustig aufgebrannt, nun hat man dir die Luft entwandt; wenn diese fortgewehet, die Flamme irregehet, sucht, findet nicht, lisch aus, mein Licht!
    |52| Nach zwanzig Minuten wird sie endlich aufgerufen und in einen Raum geschickt. Dort legt sie die beiden Briefe auf den Tisch und erzählt ihre kurze Geschichte dazu. Sie sagt nicht, dass sie sich vorher noch Kopien von den Briefen gemacht hat. Der Mann ihr gegenüber macht einen klugen Eindruck. Wodurch der entsteht, kann sie nicht sagen, aber der Typ kommt ihr klug vor. Er will wissen, ob sie irgendeinen Verdacht hege, ob es jemanden gebe, von dem sie sich vorstellen könne, dass der solche Briefe schreibt. Ja, denkt Veronika, nein, sagt sie und zupft an ihrem Kleid herum, das rund und fest ihren Leib umschließt. Plötzlich fühlt sie sich eingesperrt in diesem Kleid, das ihr heute Morgen noch ganz passend erschienen war. Es ist ihr Regelkleid. So nennt sie es. Gestern Abend hatte sie Hanns angesehen, dass der keine Sekunde glaubt, sie hätte wirklich angefangen zu bluten. Wie der auf das Heizkissen geschaut hat. Aber sie hatte angefangen zu bluten, und zwar heftig. So heftig wie seit Jahr und Tag mindestens einmal im Monat. Sie ist es leid. Das denkt sie jetzt, während der Polizist die Briefe liest und etwas in seinen Computer tippt. Sie ist es so leid, dass ihr Schrank voller Regelkleider und Regelhosen hängt, dass sie Slips für die unblutigen und für die blutigen Tage hat. Mehr von den letzteren. Sie hasst diesen schnellen forschenden Blick, der so routiniert erfolgt, wenn sie von einem Stuhl aufsteht. Als sei es normal, rote Spuren auf Stühlen zu hinterlassen. Als müsse man sich immer umdrehen, um das zu prüfen. Am meisten aber hasst sie diese allerersten Sekunden. Wenn sie irgendwo steht oder sitzt, und dann löst sich plötzlich ein Schwall aus ihrem Körper, macht es schwapp und wird warm zwischen den Beinen, überschwemmt noch die beste Slipeinlage und spült ein Problem an. Worin immer auch dieses Problem dann jeweils bestehen mag, sie hat es satt. Die nächste |53| Tankstelle zu suchen, auf öffentliche Toiletten zu rennen, Drogerien zu stürmen, sich die Tasche diskret vor den Schritt zu halten und einen Raum zu verlassen, um dann vor dem Spiegel zu stehen und nach roten Flecken zu fahnden. Sie hat es so satt, dass es nur noch eine Frage von wenig Zeit ist, bis sie sich die ganze Chose rausnehmen lässt. Daran denkt sie, während der Polizist in seinen Computer tippt.
    Ich will Ihnen da keine großen Hoffnungen machen, sagt er und packt die beiden Briefe in eine Plastiktüte. Wenn Sie nicht mal einen Verdacht haben, wird es schwer. Vielleicht kommen ja noch andere Formen der Kontaktaufnahme dazu, dann werden wir sehen.
    Andere Formen der Kontaktaufnahme, denkt Veronika. Sie glauben, der steht irgendwann einfach vor meiner Tür?
    Nein, das meine er nicht unbedingt. Vielleicht auch telefonisch. Aber warum sie denn so fest überzeugt sei, dass es sich hier um einen Mann handle? Das will Veronika nicht sagen. Stattdessen sagt sie: Jede andere Möglichkeit verbietet sich. Für ein Kind ist das ja wohl zu erwachsen, und für eine Frau … Sie kann nicht erklären, warum ihr die Worte so vorkommen, als könnten sie nie und nimmer von

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