Lola Bensky
Schockdiäten. Sie war an Herzversagen gestorben.
Das Gerücht, sie sei an einem Schinkensandwich erstickt, verstummte nie ganz. Die Leute glaubten es noch immer. Es war ein so hässliches Gerücht. Ein so hässliches Bild. Ein dicker Mensch, der an einem Schinkensandwich erstickte. Es bediente ein Vorurteil. Der Subtext lautete, dass eine dicke, unersättliche Frau ein Schinkensandwich aß, das sie besser nicht hätte essen sollen, und ihrer eigenen Gefräßigkeit zum Opfer fiel. Mama Cass wäre zutiefst entsetzt gewesen.
Keith Moon, der Drummer von The Who, der für sein dynamisches, temperamentvolles, beinahe manisches Spiel in höchstem Maße bewundert wurde und dessen erratisches, exzentrisches, zerstörerisches Verhalten bestens dokumentiert war, zog anschließend wieder in die Wohnung in die Curzon Street. Vier Jahre später wurde auch er dort tot aufgefunden.
Auch der arme Otis Redding lebte nicht mehr. Er starb keine sechs Monate nach seinem Auftritt beim Monterey Inter
national Pop Festival. Otis Reddings zweimotorige Beechcraft stürzte in Wisconsin in den Lake Monona, und Otis Redding und vier Mitglieder der Bar-Kays, seiner Begleitgruppe, kamen ums Leben. Otis Redding war sechsundzwanzig.
All seine Vitalität, Energie und Intelligenz, sein Talent und seine Klarsicht waren nicht mehr. Seine Leiche wurde tags darauf gefunden, als der See abgesucht wurde. Niemand fand heraus, warum das Flugzeug abgestürzt war. Otis Redding wurde auf seiner Ranch in Round Oak, Georgia, beigesetzt. Einen Monat später erschien die Single »Sittin' on the Dock of the Bay«, die er vier Tage vor seinem Tod aufgenommen hatte, und übernahm sofort die Spitze der Charts. Es wäre Otis' erste Nummer eins gewesen.
Auch Lillian Roxon war tot. Lillian, die weder rauchte noch Drogen nahm und kaum jemals Alkohol trank, starb an einem Asthmaanfall. Sie wurde einundvierzig. Lillian, die sich um so viele Menschen gekümmert hatte, starb allein, ohne jemanden, der ihr beistand. Lillian, die eine zwanghafte Telefoniererin gewesen war, hatte niemanden angerufen. Lola hoffte, dass das bedeutete, dass sie schnell gestorben war.
Kurz zuvor hatte sie The Rock Encyclopedia veröffentlicht, das erste Rock-Lexikon der Welt. Sie war ein Star der New Yorker Musik- und Kunstszene. Freunde sagten, dass sie bei ihrer letzten Reise nach Australien, zehn Monate vor ihrem Tod, sehr erschöpft ausgesehen habe. Lola und Lillian hatten sich damals nicht getroffen. Lola hatte das Gefühl, Lillian habe ihr nicht verziehen, dass sie nach Australien zurückgekehrt war und Mr. Ex-Rockstar geheiratet hatte. Lola vermutete, dass Lillian in ihr eine der vielen Frau sah, die eine unüberlegte Wahl getroffen hatten und ins Land der
guten Ehefrauen und Mütter entschwunden war. Lillian hatte recht. Das Land der guten Ehefrauen und Mütter verfügte über sehr festumrissene Grenzen und schlecht markierte Ausgänge.
Lillian hatte sich auch mit Linda McCartney überworfen. Nachdem Linda Paul McCartney geheiratet hatte und nach London gezogen war, hatte sie offenbar alle ihre nahen New Yorker Freunde fallenlassen. Lillian war deswegen sehr verletzt gewesen. Lola war zu Ohren gekommen, dass Linda sehr traurig gewesen sei, als sie die Nachricht von Lillians Tod erhalten habe, da sie gehofft hatte, die Freundschaft wiederzubeleben. Lola selbst hatte geweint, als sie gehört hatte, dass Lillian gestorben war. Auch sie hatte vorgehabt, Lillian wiederzusehen und sie um Verzeihung zu bitten, dass sie ihren Rat nicht befolgt hatte. Ein Rat, über den Lola noch jahrelang nachdachte, nachdem sie ihn in den Wind geschlagen hatte.
Linda McCartney lebte nach Lillians Tod noch fünfundzwanzig Jahre und starb mit sechsundfünfzig an Brustkrebs. Sie starb in Tucson, Arizona, auf ihrer und Pauls Ranch. Jemand erzählte Lola, dass Linda McCartney ein oder zwei Tage vor ihrem Tod noch immer ihre geliebten Pferde geritten habe. Lola hoffte, falls es ein Leben nach dem Tod gäbe, würden Linda und Lillian einander Gesellschaft leisten, jeden zweiten Tag miteinander telefonieren und abends gemeinsam ausgehen.
Auch Sonny Bono war tot. Er starb bei einem Skiunfall in der Nähe von Lake Tahoe in Kalifornien. Seine Witwe, Mary Bono, bat Cher, bei Sonnys Beerdigung die Totenrede zu halten. Chers Rede war sehr anrührend und sehr bewegend gewesen. Cher sagte unter Tränen, manche Menschen hätten Sonny für nicht besonders intelligent gehalten. Doch er
war schlau genug, sagte sie, ein
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