Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
Vom Netzwerk:
bedrückten Lola. Lieber fertigte Lola Listen der Diäten an, die sie gerade in Erwägung zog. Soeben hatte sie eine Diät mit Marsriegeln aufgegeben, die sie mehrere Tage lang ausprobiert hatte. So viele Marsriegel, wie man essen konnte, und sonst nichts. Die Langeweile-Diät, wie sie sie auf ihrer Liste nannte. Die Idee, dass die Marsriegel ihre Anziehungskraft verlieren und sie immer weniger davon essen und so tatsächlich bald sehr wenig zu sich nehmen würde, hatte nicht funktioniert. Auf ihrer neuen Diätliste stand die Eier-Gurken-Diät ganz oben.
    Lola hatte keine Zeit, traurig zu sein. Sie war zu sehr damit beschäftigt, fröhlich zu sein oder ihre Interviews zu planen oder über Essen nachzudenken. Jahrzehnte später würde Lola Bensky nicht mehr ganz so unempfänglich sein für die Listen der Toten. Die Toten würden sich an ihre Fersen heften. Doch davon wusste sie noch nichts. Sie war neunzehn.
    Sie setzte sich auf ihrem Hocker zurecht. Jimi Hendrix betrachtete sie aufmerksam. Die Zierperlen am Ausschnitt ihres blauen Kleides begannen auf der Haut zu jucken. Alle ihre Kleider waren hochgeschlossen und über der Brust gerafft, so dass sie lose herabfielen und ihre Hüften und Oberschenkel kaschierten. Eine ihrer falschen Wimpern fühlte sich an, als wollte sie sich lösen. Sie versuchte, sie wieder festzudrücken. Wahrscheinlich war es wegen der Hitze, dachte sie. Die Wimpern waren neu. Cher hatte sich die Wimpern geliehen, die Lola letzte Woche getragen hatte. Die waren mit Diamanten besetzt und Lolas Lieblingswimpern. Cher hatte sie mitten in dem Interview, das Lola mit ihr führte, gefragt, wo sie die diamantbesetzten Wimpern gekauft habe. »Bei Jose of Melbourne, in Australien«, hatte Lola geantwortet. Cher hatte verständnislos dreingeschaut und sie dann gefragt, ob sie sich die Wimpern ausleihen könne. Lola hatte das Gefühl gehabt, zu Cher nicht nein sagen zu können.
    Die Leute sagten manchmal, Lola sähe aus wie Cher. Lola glaubte, das lag an ihren dunklen Augen mit den schweren Lidern, den hohen Wangenknochen und der semitischen Nase. »Ich bin doppelt so dick wie sie«, lautete Lolas Antwort auf diese Bemerkungen. Lola war sich sicher, dass Cher niemals eine Diät machen musste. Sonny wahrscheinlich auch nicht.
    Lola war seit zwei Monaten in London. Sie hatte bereits The Small Faces, The Kinks, The Hollies, Cliff Richard, Gene
Pitney, The Spencer Davis Group, Olivia Newton-John und The Bee Gees interviewt. Interviews mit Olivia Newton-John und den Bee Gees waren leicht zu kriegen, da sie beide zuvor schon einmal für Rock-Out interviewt hatte, die australische Zeitschrift, für die sie arbeitete.
    Lola hatte das Aufnahmegerät auf ihrem Schoß. Sie schaute nach, ob es lief. Jimi Hendrix leckte sich die Lippen. Sein Mund sah überhaupt nicht wie der bewegliche, beängstigend laszive Mund aus, von dem sie während seines Auftritts den Blick hatte abwenden müssen.
    »Sind Sie religiös?«, fragte Lola Jimi Hendrix. Lola beneidete Menschen, die religiös waren. Sie stellte sich vor, religiös zu sein sei wie die Mitgliedschaft in einem sehr großen Club, und man hätte immer jemanden zum Reden. Nicht Gott, einfach ein anderes Clubmitglied.
    Lolas Mutter, die in einer sehr religiösen Familie aufgewachsen war, duldete nicht die leiseste Andeutung von Religion. Wenn Lola hin und wieder fragte, ob sie in die Synagoge gehen dürfe, meist an hohen Feiertagen, sagte Renia: »Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe, würdest du das Wort Religion nicht einmal in den Mund nehmen.«
    »Du willst nur in die Synagoge, um dich dort mit Jungs zu treffen«, fügte Renia dann in einem Ton hinzu, der nahelegte, sich mit Jungs zu treffen sei ungefähr dasselbe, wie bei seinem Drogendealer vorbeizuschauen oder mit einem Serienmörder herumzuhängen.
    Religion war im Hause Bensky ein Thema, über das nicht diskutiert werden durfte. »Es gibt keinen Gott«, sagte Renia Bensky immer wieder. »Es gibt keinen Gott.« Sie sagte das beim Geschirrspülen, wenn sie hinten im Garten die Wäsche aufhängte oder einfach nur allein am Küchentisch saß.
    »Ob ich religiös bin?«, sagte Jimi Hendrix. »Ich glaube
nicht an Religion. Als Kind bin ich ein paarmal in der Kirche gewesen, wurde aber hinausgeworfen, weil ich zu armselig angezogen war.«
    »Das war nicht gerade sehr wohltätig oder fromm von der Kirche oder den Gläubigen, oder?«, sagte Lola.
    »Wohltätig oder fromm«, sagte Jimi Hendrix. »Das sind

Weitere Kostenlose Bücher