Lola Bensky
noch in einem Fischgeschäft gut aussehen.«
Lola versuchte, ihre Peekytoe-Krabben zu essen, ohne daran zu denken, womit sie gefüttert worden waren. »Haben Tiere Essstörungen?«, fragte sie Irwin Keller.
»Sie können welche haben«, sagte er. »Ein Pferd mit Vitamin-B1-Mangel kann durchaus an Magersucht erkranken.«
Lola fragte sich, ob ein künstlich herbeigeführter Vitamin-B1-Mangel Menschen nicht bei ihren Diäten unterstützen könnte. Sie wollte Irwin Keller danach fragen, doch Irwin Keller hatte das Thema gewechselt und sprach jetzt über
Schafe. Als Irwin Keller seine Rede beendete, wusste Lola, dass dreißig Prozent aller Schafe homosexuell waren und vierzehn Prozent aller Hunde an Trennungsangst litten. Sie erfuhr außerdem, dass Hunde Ängste und Phobien hatten, und dass freilaufende Hühner im Alter von etwa einem Jahr ihre soziale Reife erreichten, wenngleich die meisten Hühner geschlachtet wurden, bevor sie so alt werden konnten. Das bedeutete, dass in einem Großteil der westlichen Welt sozial unreife Hühner gegessen wurden.
Der Peekytoe-Krabbensalat war inzwischen von gebratener Long-Island-Ente abgelöst worden. Zu Lolas Erleichterung tippte die Frau zu ihrer Rechten sie auf den Arm. »Francis Withers«, sagte sie. »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie aussehen wie Cher?«
»Hin und wieder ist das vorgekommen«, sagte Lola.
»Sie ist immer noch sehr schön«, sagte Francis Withers.
»Das finde ich auch«, sagte Lola.
Phyllis-Elissas und Elwood Earlwoods Wohnung sah nicht so aus, als wäre Cher dort regelmäßig ein Thema. Lola freute sich, über Cher zu sprechen.
»Ihre Haare sind nicht so lockig wie Ihre«, sagte Francis Withers nach einem prüfenden Blick auf Lolas Haar.
»Ich finde Cher fantastisch«, sagte Irwin Keller, der offenbar zugehört hatte. Lola war überrascht, dass Irwin Keller überhaupt bemerkt hatte, wie Cher aussah. Seine ganze Aufmerksamkeit schien von Ascorbinsäure, Hühnern, Schweinen, Ziegen und Fischen absorbiert zu werden.
Lola empfand beinahe so etwas wie mütterlichen Stolz auf Cher, obwohl sie und Cher gleich alt waren. Lola freute sich sehr, dass Cher so erfolgreich war und zu einer unabhängigen, starken und kultivierten Persönlichkeit herangereift war. In Interviews spürte man ihre Bescheidenheit, ihre An
mut und ihre Intelligenz. Außerdem hatte sie einen großartigen Humor. »Das Problem mit manchen Frauen«, wurde Cher zitiert, »ist, dass sie in Wallung geraten wegen nichts – und dann heiraten sie es auch noch.«
Es befriedigte Lola, dass Cher so erfolgreich war. Und sie war begeistert von ihrer Unverwüstlichkeit. Auch ihr Leben war nicht immer ganz einfach verlaufen. Cher und Sonny Bonos Tochter, Chastity Bono, hatte als Teenager ihr lesbisches Coming-out erlebt. Cher hatte darauf genauso ängstlich und verwirrt reagiert wie viele andere Mütter, doch dann war sie zu einer entschiedenen Unterstützerin lesbischer und schwuler Rechte geworden. Schon damals hatte Chastity Bono das Gefühl gehabt, dass sie eigentlich dazu bestimmt war, ein Mann zu sein. Kurz vor ihrem vierzigsten Geburtstag beschloss sie schließlich, ihren Körper in den eines Mannes umwandeln zu lassen.
Lola war froh, dass Cher nicht so getan hatte, als wäre es einfach, eine Tochter zu haben, die ein Mann geworden war.
Chaz Bono erinnerte Lola in Interviews an die junge Cher. Er konnte sich über Kleinigkeiten freuen. Er wirkte nicht verwöhnt und keineswegs verbittert, dass er dafür kämpfen musste, die Diskrepanz zwischen seinem Körper und seiner Psyche zu überwinden. Er war ein Kind, auf das jede Mutter hätte stolz sein können. Lola war sich sicher, dass Cher, die, wie Lola freudig festgestellt hatte, immer noch falsche Wimpern trug, auf Chaz stolz war.
Lola aß wesentlich mehr von dem Dessert, als sie sich vorgenommen hatte. Der Schokoladenkuchen ohne Mehl mit geschmolzenem Kern war eines von Lolas Lieblingsdesserts. Sie schaute auf ihren Teller. Kein Kuchenkrümel und keinen Klecks Schokolade hatte sie übriggelassen. Sie fragte sich, ob
Mick Jagger den Schokoladenkuchen gegessen hatte, doch sie konnte nicht nachsehen. Jemand hatte sich vorgebeugt und versperrte Lolas Sicht auf seinen Teller.
Lola hatte noch immer nicht herausgefunden, was der Anlass dieses Wohltätigkeitsessens war. Sie hatte nicht das Gefühl, jemanden fragen zu können, ohne dumm und obendrein ungehobelt zu erscheinen. Lola versuchte, Blickkontakt mit Mr. Someone Else
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