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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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weit von Parkington, zu finden sei. Er wiegte sich in einem herrlichen Traum. Sein Fuß wippte, sein Blick war beseelt. Es würde mich ungefähr sechshundert kosten. Er schlug vor, gleich jetzt die Maße zu nehmen und die provisorische Prothese anzufertigen, bevor die Unternehmung beginne. Mein Mund war für ihn eine Höhle voll unbezahlbarer Schätze, doch ich verweigerte ihm den Eintritt.
    «Nein», sagte ich. «Wenn ich es recht bedenke, werde ich doch alles von Dr. Molnar machen lassen. Er ist zwar teurer, aber dafür ist er auch ein viel besserer Zahnarzt als Sie.»
    Ich weiß nicht, ob einer meiner Leser je Gelegenheit haben wird, so etwas zu sagen. Es ist ein wunderbares Traumgefühl. Cläres Onkel blieb mit immer noch verträumtem Blick auf dem Schreibtisch sitzen, aber sein Fuß hatte aufgehört, die Wiege rosiger Vorfreude zu schaukeln. Allerdings raste mir seine Assistentin nach, ein dürres, verwelktes Mädchen mit den tragischen Augen erfolgloser Blondinen, um die Tür hinter mir zuschmettern zu können.
    Das Magazin in den Kolben schieben. Hineindrücken, bis man das Einschnappen hört oder fühlt. Herrliche Präzision. Kapazität: acht Patronen. Garantiert Blaustahl. Brennt schmerzhaft auf die Entladung.

34
    Ein Tankwart in Parkington erklärte mir sehr genau, wie man zur Grimm Road kommt. Da ich sicher sein wollte, Quilty zu Hause anzutreffen, versuchte ich ihn anzurufen, erfuhr aber, daß sein Privatanschluß seit einiger Zeit gesperrt war. Hieß das, daß er fort war? Ich machte mich auf den Weg zur Grimm Road, die zwölf Meilen nördlich der Stadt lag. Inzwischen hatte die  Nacht den größten Teil der Landschaft beseitigt, und als ich der schmalen, gewundenen Autostraße folgte, borgten sich eine Anzahl niedriger, geisterhaft weißer Pfosten mit Reflektoren mein Scheinwerfer licht aus, um diese oder jene Kurve anzuzeigen. Auf der einen Straßenseite konnte ich vage ein dunkles Tal erkennen, auf der anderen bewaldete Hügel, und vor mir drifteten wie vagabundierende Schneeflocken Nachtfalter aus der schwarzen Dunkelheit in meine forschende Aura. Wie vorhergesagt, umhüllte mich nach neunzehn Kilometern ein paar Sekunden lang eine wunderlich überdachte Brücke wie ein Futteral; hinter ihr schimmerte rechterhand ein weißgetünchter Felsblock, und ein paar Autolängen weiter bog ich auf meiner Straßenseite ab und fuhr die Grimm Road hinauf, die ein Kiesweg war. Ein paar Minuten lang war alles feuchter, dunkler, dichter Wald. Dann erhob sich in einer runden Lichtung Pavor Manor, ein Holzhaus mit einem Türmchen. Seine Fenster glühten gelb und rot; die Zufahrt war mit einem halben Dutzend Wagen zugestopft. Ich hielt im Schutz der Bäume und löschte mein Licht, um in Ruhe meinen nächsten Zug zu überlegen. Er wäre von seinen Spießgesellen und Schönchen umgeben. Ich konnte nicht anders, als mir das Innere dieses festlichen, baufälligen Schlosses nach dem Vorbild von Teenagernöte vorzustellen, einer Geschichte in einer von Los Illustrierten - geheimnisvolle «Orgien», ein finsterer Erwachsener mit priapischer Zigarre, Rauschgift, Leibwächter. Jedenfalls, anwesend war er. Ich würde zum morgendlichen Kater wieder da sein,
    Langsam fuhr ich zur Stadt zurück, in meinem treuen alten Wagen, der heiter, fast freudig für mich arbeitete. Meine Lolita! Noch immer lag in den Tiefen meines Handschuhfachs eine drei Jahre alte Haarspange von ihr. Noch immer gab es den Strom blasser Nachtfalter, den meine Scheinwerfer aus der Nacht saugten. Noch immer hielten sich hier und dort am Weg dunkle Scheunen auf Krücken. Noch immer gingen Leute ins Kino. Auf der Suche nach einem Nachtquartier kam ich an einem Autokino vorbei. In selenischem Schimmer, wahrhaft mystisch in seinem Gegensatz zu der mondlosen, massiven Nacht, hob auf einer gigantischen, abgeschrägten Leinwand inmitten dunkler, schläfriger Felder ein dünnes Phantom eine Waffe, und der schräge Winkel dieser entweichenden Welt machte die Gestalt wie ihren Arm zu zitterndem Spülwasser -und im nächsten Augenblick war die Gebärde von einer Baumreihe verdeckt.

35
    Ich verließ das Motel Insomnia Lodge am nächsten Morgen gegen acht und brachte einige Zeit in Parkington zu. Unablässig verfolgte mich die Vorstellung, daß ich die Hinrichtung verpatzen könnte. Weil ich dachte, die Patronen könnten vielleicht in der Woche ihrer Untätigkeit altbacken geworden sein, nahm ich sie heraus und schob frische hinein. Ich verpaßte dem Kumpel ein so

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