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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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gründliches Ölbad, daß ich das Zeug nicht wieder herunterbekam. Ich bandagierte ihn wie ein verstümmeltes Glied mit einem Lappen und benutzte einen zweiten, darin eine Handvoll Reservepatronen einzuwickeln.
    Auf dem größten Teil des Weges zurück zur Grimm Road begleitete mich ein Gewitter, aber als ich Pavor Manor erreichte, schien schon wieder die Sonne; mannhaft brannte sie herab, und in den durchnäßten, dampfenden Baumkronen kreischten die Vögel. Das verschnörkelte und altersschwache Haus stand wie betäubt und spiegelte damit sozusagen meinen eigenen Zustand wider, denn als mein Fuß den federnden, unsicheren Boden berührte, konnte ich mich der Feststellung nicht erwehren, daß ich die alkoholische Stärkung übertrieben hatte.
    Eine vorsichtig ironische Stille antwortete auf mein Klingeln. Die Garage war jedenfalls mit seinem Auto geladen - ein schwarzes Cabrio diesmal. Ich versuchte es mit dem Klopfer. Re-niemand. Mit einem ungeduldigen Knurren stieß ich gegen die Haustür - und, wie nett, sie flog auf wie in einem mittelalterlichen Märchen. Nachdem ich sie leise hinter mir geschlossen hatte, ging ich geradewegs durch eine weiträumige, sehr häßliche Diele; spähte in einen angrenzenden Salon; bemerkte eine Anzahl benutzter Gläser, die aus dem Teppich wuchsen; kam zu dem Schluß, der Herr des Hauses befinde sich noch im herrschaftlichen Schlafzimmer und schlafe.
    Ich stapfte also die Treppe hinauf. Meine rechte Hand umklammerte den in den Lappen gemummelten Kumpel in meiner Tasche, die linke patschte das klebrige Geländer hoch. Von den drei Schlafzimmern, in die ich hineinsah, war offenbar eines in der Nacht benutzt worden. Es gab eine Bibliothek voller Blumen. Es gab ein ziemlich kahles Zimmer mit großen, tiefen Spiegeln und einem Eisbärfell auf dem schlüpfrigen Parkett. Es gab noch andere Gemächer. Mir kam ein glücklicher Gedanke. Sollte der Hausherr etwa von einem Verdauungsspaziergang im Wald zurückkehren oder aus einem geheimen Schlupfwinkel auftauchen, so wäre es für einen unsicheren Schützen mit einem langen Stück Arbeit vor sich möglicherweise von Vorteil, wenn er seinen Spielgefährten daran hinderte, sich in einem Zimmer einzuschließen. Folglich ging ich wenigstens fünf Minuten lang - klarsichtig verrückt, wahnsinnig ruhig, ein verzauberter und sehr betrunkener Jäger - im Haus umher und drehte sämtliche Schlüssel in sämtlichen Schlössern herum, zog sie ab und steckte sie mit meiner freien linken Hand in die Tasche. Da das Haus alt war, enthielt es mehr verschwiegene Winkelchen als die modernen Prunkkästen, in denen für die verstohlenen Bedürfnisse planvoller Elternschaft das Badezimmer benutzt werden muß, der einzige abschließbare Locus.
    Apropos Badezimmer - ich war gerade im Begriff, ein drittes in Augenschein zu nehmen, als der Hausherr unter Hinterlassung eines kurzen Wasserfalls aus ihm herauskam. Die Biegung eines Korridors verbarg mich nicht ganz. Grau im Gesicht, mit Säcken unter den Augen und zerzausten Haarfusseln um die Glatze, aber doch vollkommen erkennbar, streifte er in einem purpurfarbenen, dem meinen sehr ähnlichen Schlafrock an mir vorbei. Entweder bemerkte er mich nicht, oder aber er tat mich als eine seiner Aufmerksamkeit nicht würdige, unschädliche Halluzination ab - und mir seine behaarten Waden zeigend, ging er schlafwandlerisch auf die Treppe zu und hinunter. Ich steckte meinen letzten Schlüssel ein und folgte ihm in die Diele. Er öffnete den Mund und die Haustür ein wenig, um durch einen sonnigen Spalt hinauszuspähen, wie jemand, der glaubt, er habe einen halbherzigen Besucher klingeln und wieder weggehen hören. Das Phantom im Regenmantel, das auf halber Treppenhöhe stehen geblieben war, noch immer übersehend, ging der Hausherr dann in ein gemütliches Boudoir auf der anderen Seite der Diele gegenüber dem Salon, durch den ich jetzt - in der Gewißheit, daß er mir sicher war, ließ ich mir Zeit - von ihm fort in einen Raum ging, der halb Bar, halb Küche war, wo ich behutsam meinen kleinen Schmierfink auswickelte und aufpaßte, daß keine Ölflecken auf dem Chrom blieben - ich glaube, ich hatte das falsche Öl genommen, es war schwarz und schrecklich schmierig. In meiner üblichen sorgfältigen Art überführte ich den nackten Kleinen in eine saubere Nische meines Anzugs und begab mich in das kleine Boudoir. Mein Gang, wie gesagt, war federnd - zu federnd vielleicht, um zum Ziel zu kommen. Aber mein Herz hämmerte vor

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