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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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raublustiger Freude, und knirschend zermalmte ich unter der Sohle ein Cocktailglas.
    Der Herr des Hauses trat mir im orientalischen Salon entgegen.
    «Wer sind Sie denn eigentlich?» fragte er mit hoher, heiserer Stimme, Hände in den Taschen seines Schlafrocks vergraben, Augen starr auf einen Punkt nord-westlich meines Kopfes gerichtet. «Sind Sie etwa Brewster?»
    Es war offensichtlich, daß er benebelt und mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Ich konnte mir erlauben, mit dieser Maus zu spielen.
    «Stimmt», antwortete ich verbindlich. «Je suis Monsieur Brustire. Lassen Sie uns ein bißchen plaudern, bevor wir anfangen.»
    Er sah erfreut aus. Sein Schnurrbart, schwarz wie ein Tintenklecks, zuckte. Ich zog den Regenmantel aus. Ich trug einen schwarzen Anzug und ein schwarzes Hemd, keine Krawatte. Wir setzten uns in gegenüberstehende Clubsessel.
    «Wissen Sie», sagte er, kratzte laut an seinen fleischigen, sandigen, grauen Backen und zeigte zu einem schiefen Grinsen seine kleinen, perligen Zähne, «Sie sehen nicht aus wie Jack Brewster. Ich meine, die Ähnlichkeit ist nicht gerade frappant. Jemand sagte mir, er habe einen Bruder bei derselben Telephongesellschaft. »
    Ihn in der Falle zu haben, nach all den Jahren der Reue und Wut... Die schwarzen Haare auf dem Rücken seiner dicklichen Hände anzusehen... Mit hundert Augen über seine purpurne Seide und die zottige Brust zu wandern, voller Vorfreude auf die Löcher, die Schweinerei, die Schmerzensmusik... Zu wissen, daß dieser halbbelebte, halbmenschliche Gauner, der meine Liebste sodomisiert hatte... O meine Liebste, es war Wonne unerträglich!
    «Nein, ich fürchte, ich bin keiner der beiden Brew-sters.»
    Er warf den Kopf zurück und sah noch erfreuter aus.
    «Rat noch mal, Kasper.»
    «Ah», sagte Kasper, «Sie sind also nicht gekommen, um mir wegen dieser Ferngespräche auf den Wecker zu fallen?»
    «Sie führen doch hin und wieder Ferngespräche, nicht wahr?»
    «Wie bitte?»
    Ich sagte, ich hätte gesagt, ich dächte, er hätte gesagt, er habe nie...
    «Nein, ich spreche von anderen», sagte er, «von Leuten im allgemeinen, ich beschuldige nicht Sie, Brew-ster, aber wissen Sie, es ist unerhört, wie die Leute in dies verdammte Haus eindringen, ohne auch nur zu klopfen. Sie benutzen das vaterre, sie benutzen die Küche, sie benutzen das Telephon. Phil telephoniert mit Philadelphia. Pat telephoniert mit Patagonia. Ich weigere mich zu zahlen. Sie haben einen komischen Akzent, Captain.»
    «Quilty», sagte ich, «erinnern Sie sich an ein kleines Mädchen namens Dolores Haze, Dolly Haze? Dolly, genannt Dolores, Colo.?»
    «Natürlich, vielleicht hat sie da angerufen, natürlich. Oder sonstwo. Paradise, Washington. Hell Canyon. Wen interessiert's?»
    «Mich, Quilty. Ich bin nämlich ihr Vater.»
    «Unsinn», sagte er. «Das sind Sie nicht, Sie sind irgendein ausländischer Literaturagent. Ein Franzose hat mein Wildes Fleisch mal mit La Férocité de la Chair übersetzt. Lächerlich!»
    «Sie war meine Tochter, Quilty. »
    In seinem Zustand konnte ihn nichts wirklich bestür-zen, aber seine aufgeblasene Art war schon nicht mehr ganz so überzeugend. Eine Art wachsamer Ahnung entfachte in seinen Augen einen Anschein von Leben. Gleich aber wurden sie wieder stumpf.
    «Ich mag Kinder sehr gern», sagte er, «und Väter gehören zu meinen besten Freunden.»
    Er wandte den Kopf weg und suchte etwas, Er beklopfte seine Taschen. Er machte den Versuch, sich aus dem Sessel zu erheben.
    «Kusch!» sagte ich - anscheinend viel lauter als beabsichtigt.
    «Sie brauchen mich nicht anzubrüllen», klagte er in seiner merkwürdig weibischen Art. «Ich wollte nur was zu rauchen. Ich komme um, wenn ich nichts zu rauchen habe.»
    «Sie kommen sowieso um.»
    «Ach Quatsch», sagte er. «Langsam gehen Sie mir auf den Geist. Was wollen Sie? Sind Sie Franzose? Wul-lewuh boahr? Gut, gehen wir an die Hausbar einen heben ...»
    Er sah die dunkle kleine Waffe in meiner Hand liegen, als böte ich sie ihm an.
    «Donnerlüttchen!» nölte er (er imitierte jetzt den Unterwelttrottel aus dem Kino). «Da haben Sie ja eine dolle kleine Kanone. Was wolln Se dafür?»
    Ich schlug seine ausgestreckte Hand hinunter, und es gelang ihm, eine Schachtel auf einem niedrigen Tisch neben sich umzuwerfen. Sie spuckte eine Handvoll Zigaretten aus.
    «Da sind sie ja», sagte er vergnügt. «Sie erinnern sich an Kipling: une femme est unefemme, mais un Caporal est une cigarette? Und jetzt brauchen wir

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