Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
Vom Netzwerk:
einem Köfferchen, in dem ich verschiedene Geschäftspapiere aufbewahrte. Ließ sich nicht doch ein besseres finden? Erstaunlich, wie schwer es ist, Sachen zu verstecken - besonders wenn die Frau andauernd die Möbel umstellt.

22
    Ich glaube, es war genau eine Woche nach unserem letzten Schwimmausflug, als die Mittagspost ein Antwortschreiben von der zweiten Miss Phalen brachte. Die Dame schrieb, sie sei gerade vom Begräbnis ihrer Schwester nach St. Algebra zurückgekehrt. «Euphemia hatte sich von dieser Hüftbeinfraktur nie mehr ganz erholt.» Betreffs Mrs. Humberts Tochter habe sie die
    Ehre mitzuteilen, daß der Anmeldetermin für das laufende Jahr bereits verstrichen sei; daß sie, die überlebende Phalen, aber so gut wie sicher sei, ihre Aufnahme ließe sich arrangieren, wenn Mr. und Mrs. Humbert Dolores im Januar brächten.
    Am Tag darauf ging ich nach dem Lunch zu «unserem» Arzt, einem netten Kerl, dessen Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber der ärztlichen Wissenschaft von seiner aufmunternden Jovialität zu den Kranken und seinem unbegrenzten Vertrauen in ein paar Patentmedizinen hinlänglich verschleiert wurden. Die Vorstellung, daß Lo nach Ramsdale zurückkehren mußte, war eine Schatzkammer der Vorfreude. Für dies Ereignis wünschte ich in jeder Weise gerüstet zu sein. Tatsächlich hatte ich meinen Feldzug schon eröffnet, bevor Charlotte ihren grausamen Entschluß faßte. Ich mußte sicher sein, daß ich in der ersten Nacht nach der Ankunft meines entzückenden Kindes, und dann Nacht für Nacht, bis das St. Algebra es mir wieder fortnähme, über die Mittel verfügte, zwei Geschöpfe so gründlich einzuschläfern, daß weder Lärm noch Berührung sie wecken konnten. Fast den ganzen Juli hindurch hatte ich mit verschiedenen Schlafmitteln experimentiert und sie an Charlotte, einer großen Pillenschluckerin, ausprobiert. Die letzte Dosis, die ich ihr verabreicht hatte (sie dachte, es sei eine leichte Bromtablette - um ihre Nerven zu salben), hatte sie für vier volle Stunden außer Gefecht gesetzt. Ich hatte das Radio auf höchste Lautstärke gestellt. Ich hatte ihr mit einer phallusförmigen Taschenlampe ins Gesicht geblendet. Ich hatte sie gestoßen, gezwickt, gestochen - und nichts hatte den Rhythmus ihres ruhevollen und mächtigen Atems gestört. Als ich jedoch etwas so Einfaches tat, wie sie zu küssen, wachte sie sofort auf, frisch und stark wie ein Krake (ich konnte mich gerade noch retten). Damit ging es nicht, dachte ich; ich brauchte etwas noch Zuverlässigeres. Zuerst schien Dr. Byron mir nicht zu glauben, als ich ihm sagte, sein letztes Rezept sei meiner Schlaflosigkeit nicht gewachsen. Er schlug mir vor, es noch einmal zu versuchen, und lenkte meine Aufmerksamkeit einen Augenblick ab, indem er mir Familienphotos zeigte. Er hatte ein bezauberndes Kind in Dollys Alter; aber ich durchschaute seinen Trick und bestand darauf, daß er mir das stärkste Schlafmittel verschrieb, das zu haben war. Er riet mir, Golf zu spielen, war aber schließlich bereit, mir etwas zu geben, das angeblich «wirklich wirken» würde; er ging an seinen Medizinschrank und nahm eine Phiole voll violett-blauer Kapseln mit einem Purpurstreifen an einem Ende heraus; nach seinen Worten handelte es sich um ein neues Mittel, gerade erst auf den Markt gekommen und nicht für Neurotiker bestimmt, welche schon ein geschickt verabfolgter Schluck Wasser beruhigen könne, sondern nur für schlaflose große Künstler, die jede Nacht ein paar Stunden lang sterben müßten, um Jahrhunderte zu leben. Es macht mir Freude, Ärzte hinters Licht zu führen, und obgleich ich innerlich frohlockte, steckte ich das Zeug mit skeptischem Achselzucken ein. Nebenbei gesagt, ich mußte mich vor ihm in acht nehmen. In einem anderen Zusammenhang unterlief mir einmal der dumme Lapsus, mein letztes Sanatorium zu erwähnen, und mir schien, als spitze er die Ohren. Da mir durchaus nichts daran gelegen war, daß Charlotte oder sonst jemand von dieser Periode meiner Vergangenheit erfühl - , setzte ich schnell hinzu, ich hätte für einen Roman einmal Studien in Irrenhäusern gemacht. Wie dem auch sei, der alte Fuchs hatte ein gar süßes Töchterlein.
    Ich verließ ihn in glänzender Laune und steuerte das Auto meiner Gattin mit einem Finger befriedigt heimwärts. Ramsdale war eben doch ganz reizend. Die Zikaden zirpten; die Allee war frisch gesprengt. Weich, fast seidig glitt ich in unser steil abfallendes Sträßchen. Irgendwie war alles so

Weitere Kostenlose Bücher