London 1666
Körper einen grausamen Scherz erlaubte, obwohl sie die Krankheit doch besiegt gehabt hatte!
Warum war der Schwarze Tod in sie zurückgekehrt? Warum blühte er plötzlich wieder wie eine tödliche Blume .? Warum gerade jetzt? Was hatte diesen Rückfall ausgelöst?
Graues Morgenlicht sickerte in die Dachwohnung, in die sich Ruby von ihrem Gefühl hatte führen lassen. Zwei alte Leute hatten darin gelebt. Sie lagen jetzt in der Küche. Gestern hatten sie noch ab und zu gewimmert, und heute?
Heute hatte Ruby noch nichts von ihnen gehört. Wahrscheinlich hatte sie bereits die Pest geholt .
In der Tür bewegte sich etwas.
Rubys starrer Blick weichte auf wie eine Kruste.
Angst überkam sie. Einen solchen Mann wie jenen, der dort auf der Schwelle stand, hatte sie noch nie gesehen. Nicht einmal Pepys war von einer vergleichbaren Aura umgeben gewesen.
»Wer . bist du?« rann es über ihre wässernden Lippen.
»Das tut nichts zur Sache.«
Er trat näher. Seine Füße schienen den Boden gar nicht zu berühren, und wo kam plötzlich dieser Wind her? Dieser Hauch, der sich wie ein kühles, Linderung versprechendes Tuch über Rubys Geschwüre legte.
»Was willst du?«
»Dich.«
»Mich?«
Sie bekam Panik. Der Tod war fast zur Normalität verkommen -aber nur der Tod anderer. Ruby rutschte auf dem Bett nach hinten, bis die Wand sie stoppte.
»Du trägst seinen Geruch«, sagte der Mann. Vor dem Bett hielt er inne.
Ruby hatte noch nie Blicke auf sich gefühlt, die diesen ähnlich gewesen wären. »Wovon redest du?«
»Von ihm, den ich schon lange suche.«
»Wer ist das?«
»Der, der dich machte.«
»M-machte ...?« Ruby versuchte den Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken.
»Machte«, bestätigte der Mann und fügte hinzu: »Du bist unsere erste heiße Spur seit über dreißig Jahren. Wir kannten weder den Ort, noch die Zeit, wo er sich wieder manifestieren würde. Aber wir wußten um die Folgen seines Wirkens. So war es nicht schwer, die Zeichen zu deuten, als der Schwarze Tod über London kam. Trotzdem benötigten wir noch über ein Jahr, um dich aufzuspüren.«
»Wovon redest du? Ich verstehe nicht, wen du meinst!« begehrte Ruby auf - aber zu ihrer eigenen Überraschung kamen die Worte nicht sehr glaubhaft über ihre Lippen. Irgendwo tief in ihr, unter den Wunden, die Pepys aufgerissen hatte und die sie eilig wieder zu schließen suchte, wußte sie um die Bedeutung seiner Worte. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte.
Die Miene des Fremden war blanke Ablehnung. Ruby gewann den Eindruck, daß er der Ansicht war, schon zuviel gesagt zu haben.
»Bitte, tu mir nichts!« flehte sie. »Geh! Geh, sonst wird die Pest auch dich fressen!«
Er lächelte freudlos. »Seit wann warnst du deine Opfer?«
Ruby kniff die Lippen zusammen.
»Du hast sie alle angesteckt«, fuhr er fort, »alle, die deinen Weg kreuzten! Sie sterben und wissen nicht einmal, warum. Aber um mich mach dir keine Sorgen. Es gibt nur eine Seuche, die mir etwas anhaben könnte.«
»Welche?«
»Er!«
». der mich . machte?«
Der Besucher (was für ein Wort für diese erdrückende Erscheinung!) sparte sich die Antwort. Einen Moment lang sah es aus, als würde er kleiner, aber vielleicht hörte er auch einfach auf . zu schweben und stand nun endlich auf seinen eigenen Beinen.
Als er die letzte Distanz zu Ruby überbrückte, glaubte sie zu erkennen, daß er auf einem Bein hinkte. Aber das paßte nicht ins Bild. Nicht ins Bild eines solchen Mannes!
»Bitte, faß mich nicht an. Ich bin -«
»Die Pest?« Er beugte sich zu ihr hinab. »Ich weiß.«
Ruby sah seine Hände auf sich zukommen.
Hände?
»Du könntest mir auch freiwillig sagen, wo er sich versteckt hält«, sagte der Mund zwischen den ausgestreckten Armen. »Aber könnte ich dir trauen? Dir, die seinen Odem ausatmet, als wäre er es selbst? Kurz zog ich es tatsächlich ins Kalkül, daß du er bist - in einer seiner Masken. Aber nun, da ich dir gegenüberstehe ...«
»Ich weiß nicht, von wem du redest! Wenn ich wüßte, wer der ist, den du suchst .«
»Vielleicht weißt du es wirklich nicht - aber du wußtest es einmal.
Er ist klug. Er verwischt seine Spuren brillant. Man muß sehr tief graben, um ihn zu finden .«
Ruby öffnete den Mund, aber es gelang ihr nicht, den Besucher länger hinzuhalten.
Er berührte sie.
Die zerplatzten Beulen, der infektiöse Schleim und die Fliegen, die sich daran labten, machten ihm nichts aus. Eigentlich waren es nicht wirklich seine Hände,
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