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London 1666

London 1666

Titel: London 1666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Gemüter. Daß er verschwunden und statt seiner ein Skelett in der Kirche abgelegt wurde . Man ist auf der Suche nach dem Grab, aus dem man das Gerippe gestohlen hat.«
    Lilith nickte. Ein wenig bewunderte sie die Leute dafür, wie »bodenständig« sie mit solchen Vorkommnissen umgingen.
    William arbeitete als Uhrmacher in einem Laden in der Fish Street.
    Das Geschäft gehörte ihm allerdings nicht selbst. Er war nur darin beschäftigt, und da es viele Arbeitslose in der Stadt gab, hatte sich Lilith vorgenommen, ihren Gastgeber nur in den Abendstunden nach Dienstschluß zu entsenden, um für sie Augen und Ohren offenzuhalten.
    Der Zurückgekehrte zog eine zusammengefaltete, dünne Zeitungspostille aus der Rocktasche und reichte sie an Lilith weiter. »Die neueste Ausgabe. Darin steht alles, was in den letzten Tagen von Belang war. Es handelt sich hauptsächlich um Hofberichterstattung.«
    Lilith nahm das in unsauberem Druck gefertigte Blatt entgegen. Es berührte sie eigentümlich, daß es schon in dieser Epoche Zeitungsmacher gegeben hatte ...
    ... und unwillkürlich mußte sie schon wieder an Beth MacKinsey denken, die sie seinerzeit kennengelernt hatte, als ihre Freundin noch als Reporterin des angesehenen Sydney Morning Herald gearbeitet hatte.
    »Danke«, sagte sie.
    Dann zog sie sich in einen Nebenraum zurück, um allein zu sein.
    Einige Zeit später verließ sie die Wohnung in der Fish Street in einem von Deborahs Kleidern, das ihr perfekt paßte. Beim Umziehen hatte sie eine knotige Verdickung unter der linken Achsel entdeckt. Da sie nicht wehtat, hatte sich Lilith selbst beruhigt, daß es eine harmlose Schwellung sei.
    Mehrere Stunden, bis zum Einbruch der Dunkelheit, ging sie die Umgebung der Kirche St. Magnus ab und flanierte durch die Straßen, an hübschen kleinen Geschäften und anderem Sehenswerten vorbei. Dabei sah sie auch viel Not. Zustände, wie sie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert undenkbar gewesen wären - zumindest in den Ländern, die sich selbst mit dem Zertifikat Erste Welt belegt hatten.
    Weder auf den Verbleib des Mädchens aus dem Beichtstuhl, noch auf das Wirken des Teufels fand sie Hinweise.
    Dafür erlebte sie bei ihrer Rückkehr zur Wight-Wohnung einen Schock.
    Die Tür des Hauses war amtlich versiegelt, die Wand daneben mit einem hingeschmierten Kreuz aus roter Farbe bemalt.
    Mit einem Prickeln in den Schläfen klopfte Lilith ans Nachbarhaus. Nach etlichen Versuchen fragte eine Stimme auf der anderen Seite der Tür, ohne jedoch auch nur einen Spalt weit zu öffnen: »Wer ist da? Verschwindet! Hier schlafen die Leut'!«
    Hier sterben die Leut', dachte Lilith und zischte: »Mach auf!«
    Der Riegel wurde zurückgeschoben. Ein kleiner häßlicher Mann öffnete.
    Lilith sprach ihn auf den roten Schandfleck und das Siegel an. Der Mann bekreuzigte sich.
    »Die Pest«, keuchte er sodann. »Eines der Wight-Kinder soll die Pest haben. Die Familie wurde vorhin abgeholt und fortgebracht. Sie steht unter Quarantäne ...«
    »Welches der beiden Kinder?« fragte Lilith, obwohl es eigentlich unerheblich war.
    »Die Kleinere.«
    »Evelyn?«
    Der Nachbar nickte.
    »Wohin wurden sie gebracht?«
    »Dorthin, wo alle neuen Fälle gesammelt werden - zum St. Thomas.«
    »Ist das ein Krankenhaus?«
    »Ja.«
    Noch während Lilith Fragen stellte und sich durch den Kopf gegen ließ, was ihr berichtet wurde, dachte sie: Es ist nicht wahr. Herr im Himmel, mach, daß es nicht wahr ist!
    Sie schickte den Nachbar in sein Haus zurück, ging wieder zur Wight-Wohnung, ignorierte das Siegel und trat in die verlassene Stube.
    Das erste, was sie tat, bevor sie weiteres auch nur in Erwägung zog, war, sich splitternackt auszuziehen und Kathalenas Körper im Kerzenschein mit zwei Spiegeln zu inspizieren: einem Handspiegel und einem großen, der in Deborahs Waschtisch im Schlafzimmer eingelassen war.
    Was sie dabei fand, übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen.
    *
    Zur gleichen Zeit
    Kyle träumte sich Ruby so schön, wie sie es tatsächlich einmal gewesen war. Speichel troff ihm aus dem Mund. Er kicherte wie ein Idiot, machte unablässig Kratzfüße, brabbelte unverschämte Anzüglichkeiten, leckte mit der Zunge über den Fußboden oder schlug mit Fäusten und Kopf gegen die Wände.
    Seit vielen Stunden ging das so.
    Ruby saß auf dem Bett. Sie wimmerte leise, bewegte sich aber kaum. Ihre Augen waren geschlossen. Sie wollte nicht sehen, was aus ihr geworden war. Sie wollte es nicht ...
    Der Panzer um ihr Gedächtnis

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