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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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sagte es ihr. Als ich Lillians Namen erwähnte, sagte sie:
    »Ich hab von ihr gehört. Sie war die beste Blanche Dubois, die das West End je gesehen hat.«
    Jedes Mal, wenn ich dachte, ich wüsste, wie Briony tickt, überraschte sie mich. Ich fragte:
    »Woher weißt du das?«
    »Ich liebe das Theater. Wirst du mit ihr schlafen?«
    »Was? Du meine Güte, Bri, die ist viel älter als ich.«
    Bri sah mich direkt an und fragte:
    »Wie sieht sie aus?«
    »Na ja, wie Gena Rowlands, alles andere als schlecht.«
    »Also, wirst du mit ihr schlafen?«
    Zum Nachtisch hatte ich:
    Griechischen Joghurt
    Käsekuchen
    Schwarzwälderkirschtorte.
    Ich fragte: »Was möchtest du?«
    »Von allem was.«
    Das war kein Witz.
    Danach ging ich Kaffee kochen. Als er fertig war, trug ich ihn auf einem Tablett ins Zimmer. Auf dem Tablett war Lady Di abgebildet und ich wusste, dass Bri das gefallen würde. Sie lag zusammengerollt auf dem Sofa, schnarchte leise. Ich hob sie hoch und trug sie in mein Zimmer, deckte sie mit der Daunendecke zu. Ich sah sie eine Weile an und sagte:
    »Schlaf schön.«
    Ich beschloss, das schmutzige Geschirr stehen zu lassen. Machte es mir auf dem Sofa bequem und schaltete den Fernseher ein, stellte ihn sehr leise. Es lief NYPD Blue , gerade vernichtete Dennis Franz einen Hot Dog und einen Mörder gleichzeitig. Ich schaltete wieder aus. Ich war nicht in der Stimmung für Bullen. Nicht einmal Sipowicz.
    Ungefähr eine halbe Stunde später kam der Whiskey angekrochen. Sickerte in mein Bewusstsein, wisperte mir an dessen Rändern etwas zu. Wenn ich jetzt anfing, würde ich die Flasche leer machen ... locker. Ich sprang auf, zog meine Jacke über und dachte, ein Spaziergang würde mir guttun.
    Ja.

C amus schrieb:
    »Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann.«
    Na ja, das und ein Baseballschläger können einem auf dem Weg von Clapham zum Oval ganz hilfreich sein.
    Ich wollte Joe besuchen, den Big-Issue-Verkäufer, und ein bisschen quatschen.
    In Stockwell stand ein Typ mit einem Transparent. Er trug einen von diesen knöchellangen Staubmänteln. Die sind wunderbar, wenn man das passende Pferd dazu reitet. Auf dem Transparent stand:
    Nicht im Trockner trocknen

    Als ich vorbeiging, schenkte er mir ein breites, zahnloses Grinsen. Ich sagte: »Spitzentipp«.
    Er sagte: »Verpiss dich.«
    Als ich zum Oval kam, war da kein Joe. Ein Junge von ungefähr zwanzig Jahren stand an seinem Platz und verkaufte die Zeitung. Ich fragte:
    »Was ist aus Joe geworden?«
    »Wäre schön, wenn aus dem endlich mal was werden würde«, sagte er.
    Ich packte ihn am Hemd, hörte die Knöpfe abspringen.
    Ich sagte:
    »Riskier hier keine dicke Lippe.«
    »Er ist verletzt.«
    »Was?«
    »Ehrlich, Mann, zwei Jungs aus den Kennington Estates haben ihn verdroschen.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »St. Thomas. Dem geht’s nicht gut.«
    Ich ließ den Jungen gehen, sagte:
    »Mach’s dir hier bloß nicht bequem, das ist Joes Platz.«
    Der Junge sah auf sein zerrissenes Hemd und sagte:
    »Sie haben mir mein Hemd zerrissen, das hätte nicht sein müssen.«
    »Das hast du Camus zu verdanken.«
    »Wer soll das sein?«
    Ich winkte ein Taxi heran und ließ mich ins Krankenhaus fahren. Am Empfang gab’s erst mal jede Menge Ärger, bevor mir überhaupt gesagt wurde, wo Joe war. Er lag auf Station 10. Kein gutes Zeichen.
    Als ich dort hinkam, versperrte mir die Oberschwester den Weg und sagte:
    »Sein Zustand erlaubt keinen Besuch.«
    Ein Arzt, der zufällig vorbeikam, blieb stehen und fragte:
    »Gibt es ein Problem?«
    Auf seinem Namensschild stand Dr. S. Patel.
    Die Oberschwester erklärte es ihm, und er sagte:
    »Ach ja, der Big-Issue-Mann. Gut, Schwester, ich kümmere mich darum.«
    Dann drehte er sich zu mir und sagte:
    »Wenn Sie mit ihm verwandt wären ...«
    »Verwandt?«
    »Sein Bruder, sagen wir mal.«
    Ich sah ihm in die Augen. Freundliche Augen sehe ich so gut wie nie.
    Da schon. Ich sagte:
    »Ja, klar, ich bin sein Bruder.«
    »Joe ist in keiner guten Verfassung.«
    »Sie meinen ... er könnte sterben?«
    »Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden, vermute ich.«
    Ich streckte meine Hand aus und sagte:
    »Danke, Doktor.«
    »Nichts zu danken.«
    Auf der Station war es still. Joes Bett stand gleich an der Tür. Damit sie niemanden stören, wenn sie die sterblichen Überreste wegschaffen. Ich stellte mich seitlich ans Bett. Er sah schlimm aus. Beide Augen waren blau, sein Gesicht war mit Prellungen übersät und

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