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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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seine Lippen aufgesprungen. Ein Tropf war an seinen linken Arm angeschlossen. Ich nahm seine rechte Hand.
    Er schlug die Augen auf und sagte:
    »Mitch.«
    Er versuchte zu lächeln, sagte:
    »Du hättest den anderen Typen mal sehen sollen.«
    »Hast du sie gekannt?«
    »Ja, zwei Jungs aus der Siedlung. Um die fünfzehn ... der eine sieht aus wie Beckham. Kickt auch so. Der andere ist schwarz.«
    Er schloss die Augen, sagte:
    »Mann, das Morphin knallt vielleicht.«
    »Guter Stoff, oder?«
    »Am Oval würde ich damit Verkäufer des Monats werden.«
    »Das wirst du noch, Großer«
    Er schlug erneut die Augen auf, sagte:
    »Ich will nicht sterben, Mitch.«
    »Hey, komm schon.«
    »Darf ich dich um was bitten, Mitch?«
    »Alles, was du willst.«
    »Lass nicht zu, dass die mich verbrennen. Ich mag kein Feuer.«
    Er döste eine Weile.
    Ich zog mir einen Stuhl heran, ließ seine Hand aber nicht los. Mein Mund war staubtrocken, lag wahrscheinlich an dem Wein.
    Eine Schwester sah ins Zimmer, fragte:
    »Kann ich Ihnen was bringen?«
    »Einen Tee, bitte.«
    Als sie wieder kam, sagte sie:
    »Gibt nur Kaffee.«
    »Schon okay, danke.«
    Er schmeckte nach Tee mit einem Hauch Rizinusöl. Ich hätte gemordet für eine Zigarette, wollte aber nicht weg. Die Stunden vergingen schleppend. Er wachte auf, sah, dass ich da war, und schloss die Augen.
    Ungefähr um fünf Uhr morgens sagte er:
    »Mitch?«
    »Ich bin hier, Großer.«
    »Ich hab von einer roten Rose geträumt ... was bedeutet das?«
    Woher zum Teufel sollte ich das wissen? Ich sagte:
    »Der Frühling kommt.«
    »Frühling ist gut.«
    Später sagte er.
    »Meine Füße sind so kalt.«
    Ich ging ans Bettende und steckte meine Hände unter die Decke.
    Seine Füße waren eiskalt.
    Ich fing an, sie zu massieren, und sagte:
    »Ich besorg dir Thermosocken, Joe. Die sind genau das Richtige für dich draußen am Oval.« Ich weiß nicht, wie lange ich ihn massiert hatte, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Es war der Arzt. Er sagte:
    »Er ist tot.«
    Ich hörte auf, ihm die Füße zu reiben.
    Das Ding ist, dass sie sich jetzt endlich warm anfühlten.
    Der Arzt meinte: »Kommen Sie in mein Büro.«
    Das tat ich.
    Er schloss die Tür, sagte:
    »Rauchen Sie, wenn Sie möchten.«
    »Danke, das mache ich.«
    Er hantierte mit Formularen, sagte:
    »Die Bezirksverwaltung kümmert sich um das Begräbnis.«
    »Sie meinen die Verbrennung.«
    »Das ist so üblich.«
    »Lieber nicht. Ich organisiere was anderes.«
    Der Arzt schüttelte den Kopf und sagte:
    »Ist das klug? Ich meine, ein Grab in London kostet so viel wie ein Parkplatz und ist zweimal so schwer zu bekommen.«
    »Er stammt aus dem Südosten der Stadt und da bleibt er auch.«
    »Na, schön. Ich brauche ein paar Unterschriften von Ihnen.«
    Ich rauchte meine Zigarette zu Ende, sagte:
    »Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe.«
    »Gern geschehen.«
    Wir gaben uns die Hand. Als ich nach draußen trat, fühlte ich mich völlig ermattet. Ich winkte ein Taxi heran und ließ mich nach Clapham fahren. Der Fahrer musterte mich prüfend im Rückspiegel, fragte:
    »Schwere Nacht gehabt, mein Freund?«
    »Sie haben’s erfasst.«
    Irgendwann sehr viel später stolperte ich über ein Gedicht von Anne Kennedy mit dem Titel »Bestattungsverfügung«. Eine Zeile lautete: »Ich will nicht verbrannt werden, meine Kleider heimgeschickt in einem Sack.«
    Als ich die Haustür aufmachte, roch ich Selbstgebackenes. Bri hantierte in der Küche. Sie rief:
    »Gleich gibt’s Frühstück.«
    Völlig erledigt ließ ich mich auf einen Stuhl sacken. Ich roch Kaffee und er roch gut. Kaum zu fassen. Bri brachte ihn auf einem Tablett herein. Da waren außerdem
    O-Saft
    Kaffee
    Toast
    Brownies.
    Brownies?
    Sie zeigte drauf und fragte:
    »Weißt du, was das ist?«
    »Ähm ...«
    »Space Cookies. Haschkuchen. Ich hab in Amsterdam gelernt, wie man die macht. Iss langsam - die können einen ganz schön umhaun.«
    Ich aß Toast, trank Kaffee und überlegte, ob ich mich umhaun lassen wollte. Ich fragte:
    »Isst du keine?«
    »Oh nein, Mitch, die vertragen sich nicht mit meinen Medikamenten.«
    Ich dachte: »Was soll’s.«
    Ich nahm einen vorsichtigen Bissen. Süß. Ich dachte, wenn schon sonst nicht viel, einen Zuckerflash würde ich auf jeden Fall kriegen. Bri fragte:
    »Warst du auf Beutezug?«
    »Was?«
    »Na ja, ich weiß, dass Kriminelle nachts arbeiten.«
    »Mann, Bri, ich bin kein Gangster ... ich hab einen absolut legalen Job.«
    Das kaufte sie mir

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