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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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nicht ab, sagte:
    »Macht mir nichts aus, dass du ein Räuber bist, solange du dich nicht erwischen lässt.«
    Ich aß noch ein bisschen mehr von dem Haschkuchen. Bri sagte:
    »Du hast doch kriminelle Sachen gemacht, bevor du ins Gefängnis gekommen bist, oder nicht?«
    Das ließ sich nicht leugnen.
    Zur Ablenkung erzählte ich ihr von Joe, erwähnte sogar das mit der Rose.
    Sie fragte: »War er auch Räuber?«
    Fast wäre ich ausgetickt, sagte:
    »Was hast du bloß mit deiner ›Räuber‹-Scheiße? Würdest du bitte aufhören, dieses Wort zu benutzen?«
    »Soll ich mit zur Beerdigung kommen?«
    »Ja ... klar. Das wäre gut.«
    »Was soll ich anziehen, Mitch?«
    »Äh ... was Schwarzes, denke ich.«
    Sie klatschte in die Hände, sagte:
    »Super, ich hab mir bei Selfridges ein Kostüm von Chanel geholt und noch nie getragen.«
    Mit möglichst wenig Sarkasmus in der Stimme sagte ich:
    »Geholt!«
    »Du hast gesagt, ich darf nicht mehr von kriminellen Sachen sprechen.«
    Ich verschlang den Kuchen.
    Mein Verstand verlor den Boden unter den Füßen.
    Jazz.
    Ich konnte Jazz hören. Das Duke Ellington Orchestra mit »Satin Doll«.
    Scheiße, wo kam das her?
    Ich wusste, dass ich nicht schlief, aber bei klarem Bewusstsein war ich auch nicht. Ich versuchte, mich zu bewegen, doch ich war zu matt. Vage nahm ich Briony am Rande meines Gesichtsfelds wahr, allerdings völlig verschwommen. Auf jeden Fall war das nicht wichtig. Entscheidend war einzig und allein, dass ich die nächste Melodie erkannte. Ja. Billie Holiday mit »Our Love is Here to Stay.« Dann änderte sich der Soundtrack, und ich war Bruce Springsteen mit »Darkness on the Edge of Town«. Dann war ich der Verstärker, aufgedreht bis kurz vor der Explosion. Ich merkte, wie alles dichtmachte. Ich versuchte, mich zusammenzurollen, und dann schlief ich ein.
    Jedenfalls glaube ich, dass es Schlaf war.

F rüh am Morgen rief Norton an. Ich bat ihn, mir eine Grabstelle zu suchen. Er entgegnete:
    »Das wird was kosten. Nicht nur Geld. Ich brauch deine Hilfe.«
    »Erzähl.«
    »Die Brixton-Runde, da ist keiner scharf drauf.«
    »Ach was? Ich hab gedacht, das ist ein Kinderspiel, Geld eintreiben ...«
    »Morgen Abend, Mitch, ich hol dich ab.«
    Als mich Norton am darauffolgenden Abend abholte, war er nervös.
    Ich stieg in den Transporter, und er sagte:
    »Ich hab das Grab, du musst dich hier melden.«
    Er gab mir einen Zettel mit der Adresse.
    »Danke, Billy, ich weiß das zu schätzen.«
    Ich sah mich im Transporter um, fragte:
    »Kein Red Bull?«
    »Das ist heute was anderes.«
    »Wie kommt’s?«
    »Kann haarig werden, das macht keinen Spaß.«
    In Brixton war einiges los. Die Straßen voller Leute. Fast wie auf einem Volksfest. Ich fragte:
    »Meine Güte, ob da überhaupt jemand zu Hause sein wird?«
    Er nickte finster.
    »Ja - die Frauen ... Samstagabend, die Männer machen auf dicke Hose, und die Frauen hängen vor der Glotze, gucken Quizshows.«
    Wir parkten in der Nähe eines Hochhauses abseits der Coldharbour Lane. Norton reichte mir die Sporttasche, sagte:
    »Baseballschläger. Also, wenn’s brenzlig wird, renn so schnell du kannst. Kapiert?«
    »Klar.«
    Wir stiegen aus, gingen an einem Müllcontainer vorbei und betraten das Gebäude.
    Bei den ersten Wohnungen lief alles okay. Norton kassierte zwei ab und ließ sich von den anderen die Mietverträge geben. Wir arbeiteten uns bis zum zweiten Stock runter. Norton war schreckhaft wie eine Katze. Ich fragte:
    »Was? Läuft doch gut, oder?«
    Er sah sich immer wieder um, sagte:
    »Noch sind wir nicht draußen.«
    Wir verließen eine Wohnung im zweiten Stock, Norton vorne, ich hinter ihm. Draußen standen sechs Schwarze in schwarzen Anzügen, weißen Hemden und mit auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhen. Einer stand vorne, die anderen militärisch aufgereiht hinter ihm.
    Norton sagte:
    »Scheiße.«
    Ich fragte: »Nicht gut?«
    Er schrie:
    »Lauf.«
    Und raste los wie ein wildgewordener Höllenhund. Ich rührte mich nicht. Nicht weil ich so furchtlos gewesen wäre, sondern weil mich die Typen sowieso locker eingeholt hätten, so wie die aussahen.
    Ich ließ den Baseballschläger fallen, sagte:
    »Den werde ich nicht brauchen, stimmt’s, Jungs?«
    Der Anführer schenkte mir die Andeutung eines Lächelns. Ich fragte:
    »Wer seid ihr? Die Nation of Islam?«
    Ich kannte ein paar von der Nation aus dem Knast und, was viel entscheidender ist, ich wusste, dass man denen besser nicht krumm kommt.
    Meine letzte Frage

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