Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
Vom Netzwerk:
ausgezogen, um es unter ihren nackten Fu ß sohlen zu sp ü ren, so wie fr ü her. Aber dazu hatte sie es jetzt zu eilig.
    Dort, hinter der alten Mauer hatte vor langer Zeit einmal der Kaufmann Woodridge mit Familie gelebt. Soviel wusste sie noch. Auf der gegen ü berliegenden Seite der kleinen Stra ß e duckten sich zweigeschossige, von Efeu umrankte H ä uschen in einer Reihe aneinander. Im hintersten, kurz bevor der Stra ß enverlauf sich zu einer schmalen Passage verengte, die auf die Carrier Street f ü hrte, hatte Frances gewohnt. Sie hatte Recht gehabt! Dies war ein guter Ort. Vielleicht nicht ganz so strahlend sch ö n wie in ihrer Erinnerung, aber damals war sie noch sehr klein gewesen. Da war ja auch der Wandbrunnen, aus dem sie Wasser geholt hatte! Fr ü her war ihr die Einfassungsplatte der Wasserleitung immer unendlich hoch vorgekommen.
    Collin zog sie an der Hand. » Welches war eures? «
    Erst als sie l ä ngst den Kopf nach oben gerichtet hatte, fiel ihr auf, dass sie kein kleines M ä dchen mehr war und sie nach unten schauen musste, um mit ihm zu sprechen.
    » Missy! «
    Er klang so nerv ö s. Warum?
    » He! He, Missy? H ö rst du mich nicht? Welches war euer Haus? «
    Verwirrt sah sie ihn an. » Das da, ganz hinten. « Sie wies in die Richtung, sah in die Richtung, und als w ü rde jemand Farbe von einer Leinwand abwaschen, ver ä nderte sich das Bild vor ihren Augen. So pl ö tzlich, dass sie aufgeschrien h ä tte, h ä tte Collin nicht in diesem Moment energisch an ihrer Hand geruckt, um sie eben daran zu hindern. Fr ü her war ihr nie aufgefallen, dass die Einfassung der Wasserleitung aussah wie eine Grabstele. Offenbar f ü hrte der Brunnen heute gar kein Wasser mehr, die Leitung war schon ganz und gar verrostet, und eine braune Lache hatte sich darunter angesammelt. Am ü berwiegenden Teil der alten H ä user ringsherum war der wei ß e Putz abgebl ä ttert, das vorderste gar halb eingest ü rzt. Es sah aus, als habe das Dach es unter der Last seines Alters einfach zerdr ü ckt. Dennoch kroch gerade ein kleines Kind durch eines der zerborstenen Fenster ins Freie. Es lie ß sich unter dem ü berh ä ngenden Dach nieder und begann, Steine aus dem Stra ß enpflaster zu klopfen, die es dann ins Innere des Hauses abtransportierte.
    » Frances! « , zischte Collin.
    Steifbeinig, ohne den Blick von der Szene zu nehmen, setzte sie sich in Bewegung.
    » Tritt da nicht rein! «
    Erschrocken sprang sie zur Seite, gerade noch rechtzeitig, um dem Anblick und dem Gestank des Katzenkadavers zu entgehen, der vor ihr lag. Aber es war nicht nur das tote Tier, das so entsetzlich roch. Es schien die Stra ß e selbst zu sein, Ausd ü nstungen, so uralt, so durchdringend, dass sie sich in den H ä userw ä nden festgesetzt haben mochten. Und das Absurdeste war, dass sie ihr nicht fremd vorkamen.
    Frances straffte sich.
    » K ö nntest du dich jetzt zusammenrei ß en? «
    Sie schob die Unterlippe vor. Konnte Collin denn nicht verstehen, dass gerade alles vor ihren Augen zerbrach? All die Jahre, beh ü tet in Chipperfield, hatte sie sich etwas vorgemacht. Das hie ß , eigentlich hatte sie sich gar nichts vorgemacht. Damals war sie klein und ihr Leben in der Ivy Street f ü r sie ganz normal gewesen, so normal wie f ü r das Kind mit den Steinen am Ende der Stra ß e. Und au ß erdem hatte ihre Mutter einige Dinge gesch ö nt, wenn sie ihr abends auf der Kaminbank von ihrem Haus in London erz ä hlt hatte. In ihren Geschichten waren keine mit F ä kalien verstopften Abflussrinnen vorgekommen, kein abplatzendes Mauerwerk, und die Leute waren gut gekleidet gewesen.
    Jetzt sah sie nur zerlumpte Gestalten. Einen einbeinigen Bettler, zwei Frauen mit Jacken aus Sackleinen, die K ö rbe mit ü bel aussehenden Makrelen neben sich stehen hatten und lautstark miteinander stritten. Und w ä hrend ein junger Bursche in der dunklen Passage an ein Haus pinkelte, sa ß eine Horde anderer Kinder in unmittelbarer N ä he und w ü rfelte – offenbar um die wenigen M ü nzen Kupfergeld, die vor ihnen lagen. Leise gingen sie dabei nicht vor. Sie lachten und johlten, dass es Frances durch Mark und Bein ging.
    » Da w ä r ’ n wir also « , sagte Collin gerade, als pl ö tzlich ein schriller Pfiff hinter ihnen ert ö nte. Der Kopf des Jungen schnellte herum. » Schei ß e! « , stie ß er hervor. » Ich glaube, ich muss mal kurz weg. «
    Frances konnte am Stra ß enende niemanden entdecken, aber Collin schien pl ö tzlich

Weitere Kostenlose Bücher